Ein Kind bereuen – darf man so einen Gedanken überhaupt zulassen? Darüber reden? Sicherlich ist dieses Thema eines der schwierigsten überhaupt. Denn wem will man schon sagen, dass man mit der Mutterrolle nicht klar kommt? Wem sein Leid klagen, wenn man sich selbst dabei schuldig und schlecht fühlt?
Doch mit diesen Gedanken ist man als Mutter weder ein Monster noch alleine. Es gibt Frauen, die sich die Mutterrolle anders vorgestellt haben. Die mit ihrem neuen Leben mit Kind hadern. Mütter, die ihre Kinder sehr wohl lieben, die aber von sich selbst sagen: Ich hätte lieber mein früheres Leben wieder. Und dieses Problem kann man nicht einfach wegschweigen.
Ein Jahr #regrettingmotherhood
Dass über dieses Tabuthema endlich gesprochen wird, haben wir Orna Donath zu verdanken. 2015 veröffentlichte sie die Studie „Regretting Motherhood“ (auf deutsch: Mutterschaft bereuen). Für ihre Studie sprach die israelische Soziologin mit 23 Müttern unterschiedlichsten Alters. Ihre einzige Gemeinsamkeit: Alle hatten auf die Frage „Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, mit Ihrem heutigen Wissen und Ihrer Erfahrung, würden Sie dann noch einmal Mutter werden?“ mit „Nein“ geantwortet. Alle hatten das Gefühl, durch ihr Muttersein ihr Leben, ihre Autonomie und ihre Identität verloren zu haben.
Dank dieser Studie ist seit letztem Jahr eine öffentliche Diskussion zu diesem brisanten Thema überhaupt erst entstanden. Eine Tatsache, die sicherlich vielen betroffenen Frauen hilft, über ihre Ängste und ihr Gefühl der Unfähigkeit reden zu können. Gleichwohl ist es eine Diskussion, die mehr als kontrovers ist. Eine Diskussion mit viel Emotionen und Zündstoff. Unter dem Hashtag #regrettingmotherhood erreichte die Debatte auch Deutschland. Seitdem ist viel geredet worden.
Wie wichtig dieses Thema bei uns ist, zeigen ähnliche Veröffentlichungen, die es mittlerweile gibt: Alina Bronsky und Denise Wilk mit ihrer Streitschrift „Die Abschaffung der Mutter“ ebenso wie die Soziologin Christina Mundlos mit ihrem Buch „Wenn Mutter sein nicht glücklich macht“.
Allein gelassen und unter Druck
Viele der dort beschriebenen und zitierten Frauen fühlen sich alleine gelassen von Staat und Gesellschaft. Sie finden die Umstände des Mutterseins anklagenswert, nicht das Muttersein an sich. Mütter stehen heute enorm unter Stress, werden kommentiert und kritisiert, mit anderen Müttern verglichen und unter Druck gesetzt. Wer ist da, wenn man über Jahre hinweg physischem und psychischem Stress ausgesetzt ist? Der Kontrollverlust über das eigene Leben vollzieht sich ja in allen Sparten: Er betrifft die Partnerschaft, die Sexualität, die berufliche Existenz, den eigenen Körper – wohlwissend, dass sich dieser Zustand für die nächsten Jahre nicht ändern wird.
Für Autorin Christina Mundlos gibt es zwei Gruppen von „bereuenden“ Frauen: Die, die durch die Gesellschaft dazu gedrängt wurden, Mutter zu werden – weil Frauen „eben Kinder bekommen“. Frauen, die sich aber freiwillig nie dazu entschieden hätten, Verantwortung für einen anderen Menschen zu übernehmen. Und jene Frauen, die unter der gesellschaftlichen Idealvorstellung der Super-Mutter leiden. Die sich dem, was von ihnen erwartet wird, nicht gewachsen fühlen. „Beide Gruppen leiden unter diesem Muttermythos, der sich hartnäckig hält: Dass alle Frauen Mütter werden sollen und wollen – und dass Mutter werden glücklich macht.“
Das Problem ist also in vielen Fällen gesellschaftlich gemacht. Und daran kann man etwas ändern. Deshalb ist diese Diskussion gut und wichtig. Frauen sollten nicht alleine gelassen werden und sich dafür auch noch schämen müssen. Wären Männer und Frauen in gleicher Weise an der Kindererziehung und -betreuung beteiligt, sähe sicher einiges anders aus.
Und man muss auch akzeptieren, dass es nicht für jede Frau erfüllend und die richtige Entscheidung ist, Mutter zu sein. Über Frauen herzufallen und sie zu verurteilen, weil sie anders denken, ist sicherlich der falsche Weg.
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