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Skinny Shaming: So leiden dünne Menschen unter Diskriminierung

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Vorab im Video: Body Neutrality: Muss ich meinen Körper lieben?

Dicke Menschen werden in unserer Gesellschaft schnell diskriminiert. Aber wie sieht das eigentlich mit dünnen Menschen aus?

In unserer Gesellschaft werden Körper immer und ständig kommentiert – ohne, dass jemand wirklich danach gefragt hat. Häufig leiden Menschen, die nicht dem Idealbild entsprechen, besonders darunter – Stichwort: Bodyshaming.

Und das betrifft sowohl Menschen, die einen hohen BMI haben, in der Gesellschaft also als dick gelten. Und es betrifft Menschen, die einen sehr niedrigen BMI haben, also eher als sehr dünn und schmal gelten. Hier kommt der Begriff „Skinny Shaming“ ins Spiel.

Gleiches Recht für alle Körperformen?

Dank Bodypositivity hat sich längst viel getan. Menschen, die eher Typ Curvy sind und die ihren Körper offen auf den Social Media Kanälen zeigen, werden heute oftmals für ihr Selbstbewusstsein und ihren Mut von ihren Mitmenschen gefeiert. „Toll, dass du dich das traust. Du machst anderen Frauen Mut“ heißt es dann. Das war nicht immer so und ist es auch heute leider noch nicht.

Doch trotz dieser mehr als erfreulichen Entwicklung: Wenn eine eher magere Frau das Gleiche macht und ihren Körper offen im Netz zeigt, erfährt sie diese Akzeptanz in den sozialen Netzwerken nicht unbedingt.

Fakt ist: Zeigen sich sehr schmale Personen mit ihren knochigen Schultern und dünnen Beinchen in Badehose oder Bikini, gibt es zum einen jede Menge spontane Hilfsangebote: „Iss mal was. Wir machen uns Sorgen!“

Zusätzlich werden sie auch zur Zielscheibe von jeder Menge Gehässigkeit. Denn viel verbreiteter als „nett gemeinte“ Hilfsangebote sind Kommentare der Kategorie: „Eklig, dass du dich mit deinen Knochen so zur Schau stellen musst“ oder „Zieh dir besser was an!“

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Auch unter diesem Foto stehen Kommentare wie „Kind, iss mal was“ oder „Warum so dünn?“ oder „Mir persönlich ist Lena zu dünn.“

Neuer Volkssport: Hate

Bleibt die Frage: Was genau animiert die Menschen überhaupt dazu, derart gehässig und intolerant mit Menschen jenseits einer wie auch immer zustande gekommenen „Norm“ umzugehen? Ebenso wie dickere Menschen fallen auch dünne aus dem Raster des „Otto Normalverbraucher“-Schönheitsideals.

Und nicht nur Frauen mit Kurven leiden unter Diskriminierung und Ausgrenzung. Auch sehr zierliche bis magere Frauen haben meist eine lange Leidensgeschichte hinter sich.

Von Mobbing in der Schule, in den sozialen Netzwerken oder dass sie sich selbst als nicht gut genug ansehen. Und man sollte auch nicht vergessen: Auch Essstörungen oder andere Krankheiten können die Ursache für eben jene Körperform sein.

Iss mehr, iss weniger!

Wenn man als „Bohnenstange“ zum Salat greift, statt zur Pommes, wird einem Schlankheitswahn oder direkt eine Essstörung unterstellt. Genauso geht es auch Menschen, die dicker sind. Greifen sie zu Pommes und Süßigkeiten, gibt es ebenfalls Blicke und Kommentare.

Sowieso wird alles, was man isst oder nicht isst, kommentiert – und das gilt für alle, für Dicke und Dünne, für Kurvige und für Schmale. Und in allen Fällen ist es übergriffig.

Man kann sich eigentlich recht einfach klarmachen, wie solches Dauerkommentieren beim Gegenüber ankommt: Einfach, indem man alle Sätze, die man zu einer Frau vom „Typ Bohnenstange“ sagt, mal für den umgekehrten Fall denkt.

Sprich: Würde man einer eher dicken Freundin auch so offen sagen „Iss mal weniger. Du siehst schlimm aus“ wie man einer dünnen sagt: „Iss mal was. Du siehst schlimm aus“? Sicherlich nicht. Und in beiden Fällen sind diese Kommentare nicht ok.

Denn weder Schmale, noch Füllige, noch Dürre oder Adipöse brauchen in der Regel einen Hinweis von ihren Mitmenschen. Sie sehen sich ja schließlich selbst und entscheiden, ob sie das, was sie da sehen, ok finden und ob sie damit leben können.

Und ganz nebenbei: Nicht jeder hat es in seiner Hand, etwas an seiner Körperform und -art zu ändern. Sowohl bei fettleibigen als auch bei mageren Personen kann es gesundheitliche Hintergründe haben, warum sie eben so aussehen, wie sie aussehen.

Promis und der Hate im Netz

Egal, ob dick oder dünn: Haten ist leider zum Volkssport geworden. Und das ist übel. Am schlimmsten trifft es ja immer die Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen. Denn da bilden sich die Leute ein, sie hätten ein Recht, sie zu kommentieren.

Wer sich als Promi in den sozialen Netzwerken zur Schau stellt, der will es doch gar nicht anders, wird dann argumentiert. Da wird verletzt und diffamiert, was das Zeug hält – und das alles ohne wirklichen Grund.

Denn nur weil jemand sich gerne im Netz präsentiert (oder Promo macht und sein Geld damit verdient), habe ich ja noch lange nicht das Recht ihn deshalb zu beleidigen. Viele Promis leben ja von dieser Art Marketing.

Und Sätze wie: „Ja, wer sich im Netz zeigt, muss doch damit rechnen“ sind völliger Humbug. Das eine ist eine persönliche Freiheit, die jeder besitzt, da die sozialen Netzwerke eben jedem offenstehen.

Auch Meinungsfreiheit hat Grenzen

Meinungsfreiheit ist mit unser höchstes Gut. Ganz klar. Sie ist manifestiert im Artikel 5 des Grundgesetzes. Das steht: „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern.“

Aber da steht eben auch: „(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“

Und in Artikel 2: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt.“ Und wenn ich unter das Bild einer jungen Frau schreibe: „Wie kann man nur so widerlich aussehen?“, dann habe ich eben sie, ihre Ehre und ihre Gefühle verletzt.

Andere zu beleidigen hat eben nichts mit persönlicher Freiheit zu tun und auch nichts mit Meinungsfreiheit.

Promis und Skinny Shaming im Netz

Bereits seit den 90er Jahren gibt es den netten Begriff Skinny Shaming, den auch viele unter dem Hashtag #skinnyshaming für ihre Fotos verwenden. Dennoch ist es noch immer nicht im Kopf des klassischen Haters angekommen, dass Bodyshaming nicht nur dicke Menschen trifft.

Selbst Leute, die Curvy Models und Kurven abfeiern, verfallen dazu, zynisch-böse Bemerkungen zu machen, sobald ein Promi mal eine Rippe oder ein knochiges Dekolleté zeigt.

Jedes Kilo rauf oder runter von einer Victoria Beckham, Heidi Klum oder wem auch immer wird öffentlich kommentiert. Da fragt man sich doch auch, ob die Welt nichts Besseres zu tun hat.

Leider ist es eine Tatsache, dass meist vor allem die Menschen im Netz kommentieren, die ihrem Ärger Luft machen wollen und Negatives zu sagen haben.

Und noch bedauerlicher ist es, dass die stumme, nicht kommentierende Mehrheit davon beeinflusst wird. Junge Menschen, unsichere Menschen, Menschen, die einem Vorbild nacheifern oder sich selbst hassen. Für sie alle sind diese öffentlichen Bewertungen von Körpern wenig sinnvoll bis Gift.

Dick = faul: Klischees in den Köpfen

Problematisch ist das Ganze aber vor allem, weil es eben nicht nur um Pfunde geht. Sondern vielmehr um das, was wir mit einem Zuviel oder Zuwenig verbinden, also Charaktereigenschaften, die wir dicken und dünnen Menschen nur aufgrund ihres Äußeren zuteilen. Die dicke Person ist faul, phlegmatisch und hat sich nicht im Griff. Die dünne Person wiederum ist diszipliniert, kontrolliert, eitel und erfolgreich, so die Denkweise.

Und hier zeigt sich recht deutlich, dass die Diskriminierung von fülligen Menschen mit einem hohen BMI eben doch weitreichender ist als die von sehr dünnen. Denn hier werden nicht nur die Äußerlichkeiten abgewertet, sondern der Charakter direkt mit. Dicken wird Disziplin abgesprochen und ein eigener Wille. Das passiert sehr dünnen Menschen so nicht.

Auch gibt es viele negative Erfahrungen von dickeren Menschen, was den Alltag angeht. Laut einer Studie der Universität Leipzig mit 3.000 Teilnehmer*innen wird fast jeder zweite als adipös gelesene Mensch bei der Suche nach einem Job oder einer Wohnung benachteiligt oder diskriminiert.

Innere Werte statt Äußerlichkeiten

Eigentlich könnte man das einfach mal so wahrnehmen und dann endlich abhaken, den ganzen Mist mit dem Schönheitsideal und dem zu dick und zu dünn. Weil genervt sind wir letztlich alle davon, dass wir ständig das Gefühl haben, uns optimieren zu müssen. Nicht perfekt zu sein.

Leider ist es in diesem Fall ein Kampf von David gegen Goliath, denn zu viele Menschen in unserer Gesellschaft profitieren von dem ewigen Getue um das schlank sein und ein bestimmtes Körperideal.

Da werden Millionen und Milliarden mit Fitnessstudios, Diätprodukten und Cellulite-Cremes umgesetzt – warum sollte man auf all die schönen Geldscheinchen verzichten? Nur für ein bisschen Fairness im Umgang miteinander? Sicherlich nicht.

Deshalb: Macht es besser. Und zwar nicht, indem ihr alle abfeiert, weil sie so toll aussehen, wie sie aussehen, so individuell, dick, dünn, groß, klein, jung, alt, sondern lasst doch einfach diese ganze Fixierung auf das Äußere und konzentriert euch lieber auf das, was innen ist.

Warum stressen wir uns selbst so dermaßen?

Sicherlich ist es bei euch nicht anders als bei mir auch: Kaum eine Freundin oder Bekannte, die mit ihrem Äußeren voll und ganz zufrieden ist. Ein ewiger Quell der Unzufriedenheit also – vorausgesetzt, man lässt ihm den Raum, einem das Leben zu vermiesen. Deshalb wäre es klug, einfach mal umzudenken und den ganzen Äußerlichkeiten gar nicht so viel Raum in unserem Leben zu geben.

Unsere Gesellschaft ist so geprägt von dem Außen, dass wir darüber ganz vergessen, wie schön jemand ist, der intelligent, warmherzig und fröhlich ist. Das kann unfassbar schön sein. Und vor allem: Es ist langfristig so viel wichtiger als jeder knackige Hintern oder jede faltenfreie Augenpartie.

Denn: Wir alle altern mit der Zeit. Das ist der Lauf des Lebens. Und mit Sicherheit gibt es kaum eine 90-Jährige, die sich Gedanken über die Röllchen oder die Rippen bei einer anderen 90-Jährigen macht.

Und was noch wunderschön ist: Empathie. Deshalb wäre eine Welt ohne Aggression, Bodyshaming, Intoleranz und Hass ein wirklich guter Ort.