Egal ob großer oder kleiner Meilenstein, als Eltern hält man die Fortschritte und Errungenschaften seines Kindes fest, oft in Bild und Ton. Und weil man so unendlich stolz ist auf den Nachwuchs, möchte man diesen Stolz teilen. Auch Freunde, Bekannte und Verwandte sollen sehen können, was für ein großartiges Kind man hat.
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Oder man teilt die privaten Momente sogar auf Social Media Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok. Am besten noch öffentlich und dann gleich mit einem potenziellen Millionenpublikum. Vielleicht geht man mit dem lustigen Video des Kindes oder seiner phänomenalen Gesangseinlage ja auch viral?
Denn was man sich als stolze Mutter oder als stolzer Vater eigentlich von dem Posten verspricht, so erklärt es Diplom-Psychologin und Autorin Elisabeth Raffauf, ist Bestätigung: „Das Kind ist der Ausweis dafür, was ich für eine tolle Mutter oder ein toller Vater bin.“
Was die Mehrheit der stolzen Eltern dabei vergisst oder sogar wissentlich ignoriert, sind die Gefahren, die mit dem öffentlichen Teilen von Kinderbildern einhergehen.
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Clip verdeutlicht größte Problematik
Wie schwerwiegend das unbedachte Teilen von Kinderbildern ist, zeigt ein beeindruckender Clip. In „Nachricht von Ella“ sieht man in dem krass realistischen Deep Fake Video, was heute durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) alles möglich ist. Und dass nur, weil Eltern Kinderbilder öffentlich ins Netz stellen. Man sieht, was das mit einem Kind machen kann.
Ist das nicht überzogen dargestellt?
Ganz und gar nicht, verdeutlicht Markus Hartmann, Leitender Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW) im Gespräch. „Der Einsatz von KI“, so der Experte, „eröffnet neue Dimensionen mit Blick auf Identitätsdiebstahl.“
Und auf künstliche Intelligenzen kann heute jeder mit Internet zugreifen. Es bedarf nicht einmal super speziellem Wissen oder besonderer Ausstattung, um Videos, Fotos oder Tonaufnahmen zu manipulieren.
Mit dem Posten von Kinderbildern, -videos oder lustigen Aufnahmen, so führt es Hartmann weiter aus, füttern wir alle die verschiedenen KI Modelle. „Was verfügbar ist, wird genutzt.“ Konnten Kriminelle also bisher vornehmlich digitale Identitäten stehlen, wie E-Mail-Adressen oder Passwörter, sind es mithilfe von künstlicher Intelligenz biometrische Daten einer Identität.
„Kinderfotos sind dazu geeignet, einen digitalen Klon zu generieren und den für Straftaten einzusetzen, sowohl im Bereich des Identitätsdiebstahls, aber auch mit Blick auf Kinderpornografie“, so Markus Hartmann.
Ein grauenvoller Gedanke für alle Eltern. Aber das Verrückte, gar Absurde daran ist, ganz neu sind uns diese Informationen nicht. Wir hören diese Warnungen nicht zum ersten Mal. Und doch stellen wir mit jedem Foto, Post oder Video von und über unsere Kinder Kriminellen Daten zur Verfügung.
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Das Internet vergisst nicht
Einmal veröffentlicht, kann sich die Verbreitung eines Bildes verselbstständigen. Das heißt, selbst wenn ich das Bild meines Kindes nur über einen Messenger an eine Freundin oder einen Freund geschickt habe, kann es durch diese*n weiterverbreitet werden.
Einmal gepostet oder verschickt, lässt sich ein Bild nicht einfach wieder einfangen. Man hat mit dem Teilen oder Posten die Kontrolle über das Bild abgegeben. Auch mit den Mitteln der Strafprozessordnung, so Markus Hartmann, ist es äußerst schwierig, einmal veröffentlichtes Material ganzheitlich zurückzuholen. Denn das Internet vergisst nicht.
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Wie sollten Eltern sich verhalten?
Kinderbilder gehören nicht öffentlich ins Netz. Auch nicht, wenn ein Kind dem Posten zugestimmt hat, so Dipl.-Psychologin und Autorin Elisabeth Raffauf. Ein Kind kann noch gar nicht absehen oder sich auch nur vorstellen, welche weitreichenden Folgen ein öffentlich gepostetes Bild hat.
Deshalb, so empfiehlt es die Expertin, sollten Eltern immer sich selbst hinterfragen, bevor sie Kinderbilder teilen: Warum will ich dieses Bild meines Kindes jetzt posten und mit der Welt teilen? Was verspreche ich mir davon?
Maike Scholz, Group Compliance – Squad Lead Digital Ethics bei der Deutschen Telekom empfiehlt Eltern ebenfalls, das öffentliche Teilen von Bildern generell zu unterlassen. Vor allem, weil sie ihre Kinder potenziell gefährden, aber auch, weil Eltern ihren Kindern so die Möglichkeit nehmen, ihre eigene Internet-Präsenz zu gestalten.
Sicher posten statt öffentlich posten
Und wenn man doch den einen oder anderen Schnappschuss posten will? Können Eltern das auch sicher tun? Zum Teil, wenn man ein paar Dinge beachtet.
Tipps, für Eltern im Umgang mit Kinderbildern
- Bilder nur privat, in geschlossenen Gruppen, teilen
- sichere, verschlüsselte Dienste nutzen
- klären, dass Bilder nicht an Dritte gehen (die Familie verlassen)
- keine nackte Haut, auch nicht innerhalb einer geschlossenen Gruppe
- Metadaten beim Verschicken deaktivieren
- Gesichtserkennung deaktivieren
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Tipps für Bilder auf Social Media
- ein privates Konto nutzen, auf dem man kontrollieren kann, wer Bilder sieht
- Gesichter sollten nicht zu erkennen sein
- keine sensiblen Daten teilen (Namen, Uhrzeiten und Orte, etc.)
- nichts Peinliches posten
Eltern tragen die Verantwortung für ihr Kind, für sein Wohlbefinden und seine Sicherheit. Dazu zählt auch, sensibel mit persönlichen Daten umzugehen. Das Teilen von Bildern gibt nicht nur diese Daten preis, sondern verstößt gegen das kindliche Recht auf Privatsphäre und sein Recht auf Datenschutz. Deshalb gehören weder Bilder noch andere Daten der Kinder ins Netz. So sorgt man für ihre Sicherheit und dafür, ihnen mit gutem Beispiel voranzugehen.