Inhaltsverzeichnis
- Wechseljahre, Menopause: Welcher Begriff wofür?
- Die Wechseljahre – noch immer ein Tabu
- Uups-Momente und andere Ärgernisse: Die Frau in den Wechseljahren als Kundin
- Lest! Wir Frauen müssen uns selbst Wissen ranschaffen
- Hormonersatztherapie: Ja oder nein?
- Was kommt für die Frau nach Sex und Reproduktionsfähigkeit?
- Ein Drittel der Frauen hat Beschwerden, die den Alltag einschränken
- Wissenschaft und Ärzt*innen lahmen hinterher
- „Kein Mann würde das ertragen“
- Buchtipps zum Thema
Irgendwann zwischen 40 und 55 fängt es an. Meist mit Hitzewallungen und schlaflosen Nächten und ähnlich schönen Dingen. Geht man dann zur Frauenärztin oder zum Frauenarzt und klagt über die bleierne Müdigkeit, Antriebslosigkeit und extreme Monatsblutungen, hört man meist das Gleiche: Da müssen alle Frauen durch. Das ist ganz natürlich.
„Duchmüssen“ und „total natürlich“ ist jedoch für manche Frauen, die stark unter Wechseljahresbeschwerden leiden, ein schlechter Scherz.
Wechseljahre, Menopause: Welcher Begriff wofür?
Fakt ist: Die wenigsten Frauen wissen viel darüber. Das beginnt schon allein mit den Begrifflichkeiten. Wir sprechen oft synonym von den Wechseljahren und der Menopause. Menopause beschreibt allerdings nur den Zeitpunkt der letzten Periode, auf die dann 12 Monate lang keine weitere Regelblutung folgt.
Der medizinische korrekte Begriff für die Wechseljahre ist übrigens Klimakterium. Er beschreibt die Phase vor und nach der letzten Regelblutung. Wird die Periode unregelmäßiger und setzen die ersten Beschwerden ein, befindet man sich als Frau in der Perimenopause. Manche Frauen bemerken aber auch gar nichts und sind längst perimenopausal.
Die Wechseljahre – noch immer ein Tabu
Die wenigsten kennen die ersten Symptome des Klimakteriums. Und auch nicht all die verschiedenen Beschwerden und Hintergründe von dem, was da im weiblichen Körper passiert. Man spricht halt nicht so gern davon.
Und wenn, dann wir oftmals in einer recht pauschalisierenden Art und Weise über Frauen in dieser Lebensphase gesprochen. Gerne auch, indem man Witze über die „fliegende Hitze“ macht. Oder als Schreckgespenst, indem man sagt, dass Frauen nach den Wechseljahren „unsichtbar“ und unattraktiv werden. Insgesamt ein trauriges Bild.
Man sollte nur mal überlegen, wie viel Raum das Thema Sex, Verhütung und Schwangerschaft in unserer Gesellschaft einnimmt, und wie leise und unbemerkt Frauen durch die Wechseljahre geschickt werden.
Uups-Momente und andere Ärgernisse: Die Frau in den Wechseljahren als Kundin
In der Werbung gießen sie hellblaue Flüssigkeit in riesige Binden und man sieht Frauen, die Angst haben, Sport zu machen oder enge Sachen zu tragen, weil man ihre Blasenschwäche bemerken könnte.
„Ich habe Angst, dass gleich etwas ganz anderes fließt“, sagt die Frau in der Werbung. Das Ganze soll lustig und locker klingen. Nimm XY und alles ist wieder in perfekter Ordnung. Das ist die Lösung im Werbespot. Und im realen Leben? Wo ist da der super Tipp, wenn Körper und Psyche plötzlich aus den Fugen geraten?
„Erfahren Sie, wie man Uups-Momente beim Niesen vermeidet, warum man Meerrettich essen sollte und wie man mit einer Quietscheente richtig atmet!“ steht in der Mail zu einem Buch, das Frauen während der Wechseljahre helfen soll. Uups-Momente also, die man mit Gummienten und Meerrettich bekämpft. Die nächste Mail zum Thema empfiehlt Rotklee.
Der Gegner von Rotklee und Entchen hat es allerdings in sich. Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Osteoporose. Depressive Phasen. Schwund von Muskeln. Antriebslosigkeit und dünner werdendes Haar.
Obwohl das Thema nach wie vor in unserer Gesellschaft eher totgeschwiegen wird, hat die Industrie die derart geplagte Frau längst erspäht und erfreut sich an den Umsätzen für Cremes gegen Scheidentrockenheit, Mittelchen gegen Schweißausbrüche und erschlaffende Beckenböden.
Lest! Wir Frauen müssen uns selbst Wissen ranschaffen
Was auch auffällt? Viele Gynäkolog*innen sprechen Frauen zwar ungefragt auf ihren Kinderwunsch an, erklären einem aber im Gegenzug nicht, was passiert, wenn wir in der zweiten Lebensphase in die Unfruchtbarkeit rutschen.
Niemand fragt, ob man als Frau bereits Beschwerden hat, die mit dem Klimakterium zu tun haben könnten. Letztlich bleibt uns Frauen nichts anderes übrig, als uns eigenständig Wissen ranzuschaffen.
Im Freund*innenkreis wurde mir dieses Buch von Dr. med. Sheila de Liz empfohlen, wo die drei weiblichen Hormone als Charlie’s Angels dargestellt werden. „Woman on fire“. Ein sehr klares und aufklärendes Buch. Oder das Buch „Die gereizte Frau“ von der Autorin Miriam Stein.
Beide Bücher sind sehr unterschiedlich von der Herangehensweise. Aber in beiden findet man, als von Beschwerden geplagte Frau, Antworten. Zum Beispiel über die kürzere Zündschnur, die jetzt viele Frauen haben.
Miriam Stein schreibt dazu: „Die chemische Ursache für die Wutattacken ist der Neurotransmitter Serotonin. Er regelt den emotionalen Haushalt und sorgt für Ausgeglichenheit. Für die körpereigene Herstellung benötigt man Östrogen. Im Klimakterium wird bekanntermaßen immer weniger Östrogen gebildet – entsprechend gerät auch der Serotonin-Haushalt außer Kontrolle und beschert mir eine innere Verwandtschaft mit Frau Mahlzahn, dem biestigen Drachen aus Michael Endes Lummerland.“
Das zu wissen, hilft viel. Nicht nur, um sich selbst besser zu verstehen, sondern auch für das soziale Umfeld, die Familie bzw. den Partner oder die Partnerin.
Auch lesen: Wechseljahre: „Es ist erschreckend, was Frauen bereit sind durchzustehen“
Hormonersatztherapie: Ja oder nein?
Magazine empfehlen Hormone, die auf die Haut geklebt, eingecremt, gesprüht oder geschluckt werden. Miriam Stein schreibt dazu: „Mithilfe von unterschiedlichen Präparaten, ob nun synthetischen oder bioidentischen Hormonen, kann das körpereigene Defizit ausgeglichen werden.
Es gibt nur zwei Probleme damit: Synthetische Hormone können möglicherweise Krebs verursachen. Und wann genau der richtige Zeitpunkt ist, mit irgendeiner Hormontherapie anzufangen, ist auch offen. Was aber schon mal helfen würde, wäre Prävention durch Aufklärung.“
Wann genau dieser richtige Zeitpunkt ist (bzw., wie Sheila de Liz es nennt, das „goldene Fenster“), in dem es sich für Frauen lohnt, eine Hormonersatztherapie zu starten, das erklärt die Gynäkologin ausführlich in ihrem Buch.
Sie plädiert für einen klugen Einsatz von einer Hormonersatztherapie: „Häufig haben wir Frauen jedoch Vorbehalte dagegen, denn im Laufe unseres Lebens haben wir immer wieder erfahren, wie stark uns unsere Hormone beeinflussen“, schreibt sie auf ihrer Website.
Dabei liegen für sie die Fakten recht klar auf der Hand: „(…) die körperlichen Beschwerden kommen durch Hormonmangel, fehlende Hormone oder absinkende Hormonlevel zustande. Die meisten Frauen können heutzutage körperidentische Hormone zu sich nehmen. Das trifft für die meisten Frauen zu, nicht für alle Frauen.
Das geht meistens mit Cremes oder Gels, die man sich auf die Haut schmiert, die vom Körper aufgenommen werden und die einfach diesen Mangel ausgleichen. Das Ganze muss natürlich in einem ärztlichen Gespräch besprochen werden. Aber man kann diese Probleme relativ leicht beheben“, sagt sie in einem Interview mit dem SWR.
Aber was ist mit den Frauen, die keine Hormonersatztherapie machen dürfen, aus den unterschiedlichsten Gründen? Mir wurde gesagt: „Sie müssen da leider einfach so durch“. Also ohne Hormone. Bedenkt man, dass diese Zeit, wo man mal eben so durch muss, zwischen 5 und 12 Jahren dauert, ist das eine arg frustrierende Ansage.
Was kommt für die Frau nach Sex und Reproduktionsfähigkeit?
Spricht man mit anderen Frauen, merkt man, dass sich nicht jede offen zum Thema Wechseljahre outen mag. Dass viele ihre Symptome noch herunterspielen. Nur wenige sind so offen, wie eine Freundin, die erzählt, dass sie immer dachte, in den Wechseljahren würde die Periode einfach ausbleiben – und stattdessen hat sie an manchen Tagen im Monat das Gefühl zu verbluten. Das hatte ihr so auch niemand gesagt.
Fakt ist: Das Thema Klimakterium wird auch deshalb tabuisiert, weil sich Weiblichkeit eben so gut macht, mit einem schönen Äußeren und dazu dieser beeindruckenden weiblichen Fähigkeit, fruchtbar zu sein und Leben schenken zu können.
Sex und Reproduktionsfähigkeit, wie die Deutschlandfunk Nova Reporterin Fanny Kniestedt mal recht treffend gesagt hat. Und das ist scheinbar die Währung, die zählt. Kein Wunder also, dass sich Schweigen um einen hüllt, wenn man aus diesem Pott junger, gebärfreudiger Frauen rausfällt.
Ein Drittel der Frauen hat Beschwerden, die den Alltag einschränken
Mittlerweile gibt es viele, die umdenken und die Wechseljahre als Befreiung der Frau feiern. Menopositivity. Ich finde das toll und lobenswert, aber wenn ich ehrlich bin: Für mich ist es keine Befreiung, mich mit all den körperlichen und psychischen Veränderungen anzufreunden, die schneller über einen kommen, als es damals die Pubertät getan hat. Und die das Leben schon in einigen Bereichen stark beeinflussen.
Während einige Frauen wenig oder kaum Beschwerden haben, hat ein Drittel der Frauen starke Symptome, die den normalen Alltag einschränken und eine medizinische Behandlung sinnvoll machen.
Es würde helfen, wenn man mehr darüber wissen würde. Und wenn der Gedanke an die Wechseljahre und all das etwas Normales wäre, weil eben alle Frauen das irgendwann durchmachen.
Zumal unsere Gesellschaft immer älter wird und wir im Jahr 2025 weltweit über eine Milliarde betroffener Frauen haben werden. Man kann das Klimakterium der Frau also keinesfalls als Nischenthema ansehen.
Wissenschaft und Ärzt*innen lahmen hinterher
Es liegt also noch viel Aufklärungsarbeit vor uns. Und Forschung dazu. „Die moderne Medizin kann Herzen durch Schrittmacher am Laufen halten, Körper während einer Operation in Kälteschlaf versetzen, Kinder im Reagenzglas zeugen und nicht zuletzt hormonbedingte Erektionsstörungen bei Männern durch die Gabe eines zuverlässigen Medikaments kompensieren. Beschwerden im Klimakterium hingegen ist medizinisch anscheinend wenig entgegenzusetzen“, schreibt Miriam Stein in ihrem Buch.
Und das Wissen rund um die Wechseljahre fehlt nicht nur den betroffenen Frauen selbst. So spielt das Thema in der Ausbildung von Gynäkolog*innen nur eine untergeordnete Rolle. Im Grundstudium Medizin wird es gar nicht behandelt. Das zeigt mal wieder, als wie wenig wichtig Frauengesundheit in unserer Gesellschaft erachtet wird.
Witzig auch, wie die Autorin Miriam Stein schreibt: „Deutsche Krankenkassen übernehmen Beratungsgespräche zum Klimakterium nicht. Grund hierfür soll unter anderem sein, dass dieser Zeitabschnitt so schwer zu definieren ist.“
Auch lesen: Die Wechseljahre: Ein Leitfaden für das, was vor uns liegt
„Kein Mann würde das ertragen“
Wen also wundert es, dass die Symptome des Klimakteriums oft nicht erkannt werden, wenn Frauen zur*zum Ärzt*in gehen, dass Frauen allein vor sich hin leiden und versuchen, einfach weiter zu funktionieren?
„Wie kann man in so einer Zeit mit solchen technischen Möglichkeiten noch Menschen, die permanent sehr beeinträchtigende Beschwerden haben, erklären, sie müssten das aushalten, weil das etwas ganz Natürliches sei? Kein Mann würde das ertragen“, sagte Miriam Stein in einem Interview mit der taz.
Deshalb sollten wir alle mehr darüber reden, was Frauen in den Wechseljahren durchmachen. Weil es normal sein sollte, dass man alt wird – und kein Versagen oder Verschwinden. Zumal die Wechseljahre keine kurze Phase sind, durch die wir mal eben durchmüssen.
Diese „Phase“ dauert immerhin bis zu zwölf Jahre, dann sollte klar sein: Niemand sollte zwölf Jahre lang vor sich hin leiden, ohne das Gefühl zu haben: Hey, das geht verdammt vielen so. Und wir müssen uns nicht verstellen. Und nicht neu erfinden. Und vor allem dürfen wir uns nicht unsichtbar und wertlos fühlen.
Dieser Artikel erschien in einer anderen Form zuerst auf Edition F.
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