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Kleinparteien bei der Bundestagswahl 2025: Kluger Protest oder verschenkte Stimme?

Foto des Kopfes eines Wahlscheins für die Bundestagswahl 2025.
Ob sich die Stimme für eine Kleinpartei am Sonntag bei der Bundestagswahl lohnt, erfährst du hier. Credit: AdobeStock

Bundestagswahl 2025: Warum deine Stimme für eine Kleinpartei anderen Parteien helfen kann (auch ungewollt) – und wann sie trotzdem sinnvoll ist.

Nutzt man den Wahl-O-Mat oder den Real-O-Mat, vergleicht die ‚Maschine‘ die eigenen Antworten auf diverse politischen Fragen mit den Wahlprogrammen aller oder vorher ausgesuchter Parteien. Am Ende erhält man dann die Auswertung, mit welcher Partei man die meisten Übereinstimmungen aufweist. Damit soll Wählerinnen und Wählern geholfen werden, eine Entscheidung für eine Partei bei der bevorstehenden Bundestagswahl 2025 zu treffen.

Bei mir selbst, aber auch bei vielen Freund*innen stehen dann aber nicht die großen Parteien wie Grüne, SPD oder CDU ganz oben in der Ergebnisliste, sondern Kleinparteien wie die Tierschutzpartei, Volt oder die Piratenpartei. Selbstverständlich kann man einer kleinen Partei wie diesen seine Stimme geben. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Stimme dann verloren geht bzw. dass sie den großen Parteien, vornehmlich wahrscheinlich CDU und AfD, zugutekommt.

Wieso das bei der Bundestagswahl 2025 so ist, wann sich das Kreuz bei einer Kleinpartei dennoch lohnen kann und wann es sinnvoll sein kann, auch strategisch zu wählen, wollen wir erklären.

Erststimme, Zweitstimme und Wahlrechtsreform

Bevor wir uns um die Kleinparteien und die Stimmabgabe für diese kümmern, kurz eine Erklärung zu Stimmen und Wahlrecht.

Mit der Erststimme auf dem Wahlschein können Wähler*innen einem Direktkandidaten aus ihrem Wahlkreis ihre Stimme geben. Der oder die Kandidat*in mit den meisten Stimmen zieht direkt in den Bundestag ein. Jedoch nur, wenn die Partei des oder der Kandidat*in auch genügend Zweitstimmen erhält. Mehr dazu gleich.

>> Auf zweitstimme.org/erststimme könnt ihr nachsehen, welche Kandidat*innen in eurem Wahlkreis auf dem Wahlzettel stehen, und wie viele Stimmen sie voraussichtlich erhalten werden. Kandidat*in, die sehr wahrscheinlich keine 5 % der Stimmen erhalten, werden auf der Website nicht einzeln aufgeführt. Diese Personen werden aber dennoch auf eurem Wahlschein am 23.2.2025 stehen.

Mit der Zweitstimme wählt man keine Einzelperson, sondern gibt seine Stimme für die Landesliste einer Partei ab. Diese enthält Kandidatinnen und Kandidaten einer Partei des eigenen Bundeslandes, die in den Bundestag geschickt werden sollen. Die Zweitstimme wird gern als ‚wichtigere‘ Stimme bezeichnet, weil sie die Anzahl der Sitze für eine Partei im Bundestag festlegt.

Wichtig: Direktmandate haben Vorrang beim Einzug in den Bundestag. Die verbleibenden Sitze einer Partei werden mit den Kandidatinnen und Kandidaten der Landeslisten aufgefüllt. Mehr dazu, welche Landesliste wie viele Sitze erhält, erfährst du auf bundesregierung.de.

Insgesamt dürfen nach der Wahlrechtsreform 630 Abgeordnete in den Bundestag einziehen. Welche Partei wie viele Sitze erhält, ergibt sich (und das ist neu) ausschließlich aus den Zweitstimmen. Es gibt keine Überhang- oder Ausgleichsmandate mehr. Konnte vor der Wahlrechtsreform also ein*e Kandidat* aufgrund seiner Erststimmen in den Bundestag einziehen, obwohl die Partei nicht ausreichend Sitze über die Zweitstimmen gewinnen konnte, geht das nun nicht mehr.

Zudem gibt es die sogenannte Fünf-Prozent-Hürde. Sie regelt, dass nur Parteien in den Bundestag einziehen können, die mindestens 5 % der abgegebenen bundesweiten Zweitstimmen erhalten. Oder die in mindestens drei Wahlkreisen die Erstimmenmehrheit gewinnen. Dann entfällt die Fünf-Prozent-Hürde (Grundmandatsklausel) und eine Partei zieht mit ihrem gesamten Zweitstimmenanteil in den Bundestag ein.

Fünf-Prozent-Hürde größtes Problem für Kleinparteien und Stimmen

Die Fünf-Prozent-Hürde ist auch ursächlich dafür, dass eine Stimme für eine Kleinpartei verloren gehen kann, bzw. sie anderen, großen Parteien helfen kann.

Würden Erst- und Zweitstimmen immer übereinstimmen und würden auch alle Parteien, die zur Wahl antreten, die 5-Prozent-Hürde schaffen, wäre alles ganz einfach. Die 630 Sitze des Bundestags würden dann prozentual unter den Parteien aufgeteilt. Wer die meisten Zweitstimmen bekommt, bekommt auch die meisten Sitze und so weiter. So einfach ist es aber leider nicht.

Zieht eine Partei nicht in den Bundestag ein, weil sie unter den 5 % bleibt und beispielsweise nur 3 Prozent der Stimmen erhält und auch nicht in mindestens drei Wahlkreisen die Erstimmenmehrheit gewonnen hat, kann sie keine Sitze im Parlament besetzen. Ihre 3 Prozent sind aber dennoch ein Teil der 630 zu vergebenen Sitze und fallen nicht einfach weg, sondern werden auf die anderen Parteien bzw. ihre Sitzanteile umgerechnet.

Geben also viele Menschen ihre Zweitstimme vielen kleinen Parteien, die alle weniger als 5 Prozent erreichen, stärkt genau das die großen Parteien. Kommen die kleinen Parteien, oft als ‚Sonstige‘ zusammengefasst, beispielsweise insgesamt auf 12 oder sogar 15 Prozent, werden diese in Sitze umgerechnet und prozentual auf alle Parteien über 5 Prozent aufgeteilt. So erhält die Partei mit den meisten Stimmen also zum Beispiel 4 oder 6 Sitze mehr, als sie eigentlich über die Zweitstimmen erhalten hätte.

Wann lohnt sich Zweitstimme für Kleinpartei?

Die Stimme für eine Kleinpartei ist aber nicht, wie man manchmal auch liest, eine weggeworfene Stimme. Denn je mehr Menschen eine kleine Partei wie die Tierschutzpartei, Volt und Co. wählen, umso mehr Aufmerksamkeit wird diesen Parteien geschenkt. Ihre politischen Themen erhalten damit mehr Aufmerksamkeit und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für mehr Wähler*innenzuspruch für künftige Wahlen.

Prof. Dr. Robert Vehrkamp, Demokratieforscher der Bertelsmannstiftung, verweist zudem im Interview mit rbb24.de darauf, dass schon 0,5 Prozent der Zweitstimmen einer Partei finanziell helfen, dann nämlich hat sie Anspruch auf die staatliche Parteienfinanzierung. „Das ermöglicht dann auch kleinen Parteien, in Zukunft präsent zu sein, Plakate und Veranstaltungen zu finanzieren – und damit weiter am öffentlichen Dialog teilzunehmen“, so Vehrkamp.

Was bedeutet taktisch wählen?

Nichtsdestoweniger ordnet der Demokratieforscher ein, dass man sich als Wählerin oder Wähler kleiner Parteien bewusst darüber sein muss, „dass sie eben nicht an der Mandatsverteilung im Bundestag mitwirken“.

Am liebsten möchte man natürlich der Partei seine Stimme geben, mit der man in den meisten Punkten übereinstimmt. Denn dann weiß man die eigenen Interessen und Bedürfnisse politisch repräsentiert. Das funktioniert aber nur so lange, wie die Wunschpartei aktiv an der Politik der nächsten Bundesregierung mitwirken kann und das klappt eben nur, wenn sie in den Bundestag einziehen kann.

Und nicht nur das, die Stimmen, die meine kleine Wunschpartei erhalten hat, werden umverteilt und im Zweifel profitieren davon Parteien, die ich absolut nicht unterstützen möchte. Deshalb kann es eine Überlegung wert sein, meine Stimme bei der Bundestagswahl einer Partei zu geben, mit der ich auch in vielen Punkten übereinstimme und von der ich weiß, dass sie definitiv in den Bundestag einziehen wird.

>> Und denk immer daran: Wählen bedeutet Mitbestimmung! Mach dich schlau und geh am 23. Februar 2025 zur Bundestagswahl – für eine starke und gerechte Zukunft. <<

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