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Ein kleines Stück vom Kuchen: Warum jeder diesen Film sehen sollte

Lily Farhadpour und Esmail Mehrabi in "Ein kleines Stück vom Kuchen".
© Hamid Janipour

Was "Ein kleines Stück vom Kuchen" so besonders macht

Wir haben mit Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha über die schwierigen Dreharbeiten zu ihrem neuen Film gesprochen

Das iranische Regisseurpaar Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha haben mit „Ein kleines Stück vom Kuchen“ ein Meisterwerk geschaffen.

Die 70-jährige Mahin möchte vor allem eines: Das Leben in vollen Zügen genießen. Gerne erinnert sie sich an die Zeiten zurück, in denen sie und ihre Freundinnen die Freiheit im Iran genießen konnten. Doch die Umstände haben sich geändert – auch in Mahins Privatleben. Die Witwe möchte den Rest ihres Lebens zu etwas Besonderem machen und beweist nicht nur Mut, sondern auch, dass Frauen jeden Alters die Möglichkeit haben, für sich einzustehen und glücklich zu sein.

Die große Liebe – auch später im Leben

Das Regisseur*innen-Paar Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha haben die aufgeschlossene und lebenslustige Mahin, gespielt von Lily Farhadpour, zur Hauptrolle des emotionalen Films gemacht.

Im Interview erzählt uns Moghadam, dass sie die Hauptrolle bewusst so ausgewählt haben:

„Wir wollten einen Film über iranische Frauen machen, aber vor allem über Frauen allgemein. In Hollywood werden uns Stereotype vermittelt, sodass wir denken, wir müssten auf eine besondere Art und Weise interessant sein. In diesen Standards soll man jung und hübsch sein – und wir wollten „echte“ Frauen zeigen.“

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Ein Film, der zum Nachdenken anregt

Der Film ist nicht nur aus künstlerischer Sicht ein absolutes Meisterwerk, sondern zeigt auch, wie sehr die beiden Regisseur*innen ihren Beruf lieben und ihr Leben dafür riskieren.

Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha leben beide im Iran und haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt aus ihren Augen zu zeigen. Dabei wird bewusst provokant gearbeitet und Missstände aufgezeigt. Das haben die beiden schon in ihrem 2021 erschienenen Film „Ballade von der weißen Kuh“ bewiesen, indem es um Hinrichtung und Ungerechtigkeit geht.

Aber was hat die beiden eigentlich dazu inspiriert, einen Film wie diesen zu drehen? Moghadam verrät uns, dass der Film widerspiegeln soll, wie kurz das Leben eigentlich ist und die kleinen Momente unserem Leben manchmal etwas Bedeutsames und Wertvolles schenken. Dass das nicht nur eine Floskel ist, sondern auch eine Art Lebensmotto.

Vom Regime verfolgt

Denn das Regime macht auch keinen Halt vor erfolgreichen Regisseur*innen, denn Maryam Moghadam und Behtash Sanaeeha üben nicht erst seit kurzem Kritik an der Regierung im Iran – und das hat Folgen.

„Wir haben jeden Tag gedacht, das könnte der letzte Tag des Drehs sein“, erklärt Behtash Sanaeeha. Als das Regisseur*innen-Paar für die Post-Produktion nach Paris reisen wollte, wurde ihnen noch am Flughafen der Reisepass abgenommen. Noch immer warten sie auf das Gerichtsurteil, wie es nun mit den beiden weitergeht.

„Wir können nun ungefähr seit einem Jahr nicht mehr auf Reisen gehen und wir hoffen, dass das Gerichtsurteil nicht noch härter ausfällt.“, so Sanaeeha. „Aber das ist, was wir machen wollten: Die echte Geschichte von Frauen aus dem Iran erzählen. Wir wussten, dass das Ganze Konsequenzen haben würde.“ Eigentlich sollten die beiden sogar dieses Jahr auf der Berlinale ihren Film vorstellen.

„Wir haben das Skript allerdings schon vor den Protesten gegen das Regime geschrieben. Denn das, was Mahsa Amini passiert ist, ist hier nichts Neues. Diese Lebensrealität sehen Frauen im Iran schon seit über 45 Jahren.“ erklärt uns Moghadam. „Sie werden belästigt, verhaftet und geschlagen.“

Genau diese Lebensrealität kriegen Zuschauer*innen vor Augen geführt. Selbst wenn es nur einzelne Sequenzen im Film sind, die darauf aufmerksam machen, spürt man, dass die Hauptdarstellerin unter ständiger Beobachtung und nirgendwo wirklich sicher ist – noch nicht einmal in ihren eigenen vier Wänden.

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Ein Kino der Gefühle

Vor allem ist der Film aber eines: Eine Achterbahn der Gefühle. Die Hauptdarstellerin Mahin gibt einem ein sicheres und geborgenes Gefühl, was einen sofort empathisch macht. Man möchte am liebsten mit ihr und ihren Freundinnen gemeinsam am Tisch sitzen und über Gott und die Welt quatschen.

Im Laufe des Filmes merkt man, dass Mahin nicht nur für sich ein Leben voller Glück, Zufriedenheit und Freiheit wünscht, sondern auch für alle anderen um sie herum. Ab und an erkennt man, dass Mahin immer mal wieder in Erinnerungen schwelgt und das Leben im Iran von früher vor Augen hat.

Als Zuschauerin freut man sich umso mehr, als sie den unscheinbaren aber liebenswerten Taxifahrer Faramarz kennenlernt. Die beiden sind alleine und ohne Partner bzw. Partnerin. Es scheint, als würden sie sich auf Anhieb blendend verstehen und Mahin schafft es mit ihrer Zuversicht und Hoffnung, einen wunderschönen Abend zu gestalten, der für immer in Erinnerung bleibt.

Man spürt, wie viel Arbeit in diesem Meisterwerk steckt und was für Herausforderungen dahinter stecken. Wer Lust auf ein emotionales und packendes Kinoerlebnis hat, ist hiermit sicherlich gut bedient. Und alleine schon aufgrund von dem großen Mut und der unglaublichen Stärke der beiden Regisseur*innen, ist es absolut empfehlenswert, diesen Film mit auf die Watch-List zu packen.