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Warum die Erziehung von uns Millennials trotz ihrer Schwächen vieles richtig macht

Mutter wäscht in der Küche etwas ab, ihre Tochter sitzt neben ihr auf der Küchenzeile und beide scheinen herumzualbern.
© AdobeStock/ DusanJelicic

Vorab im Video: Neue Forschung rückt Helikopter-Eltern in ein neues Licht.

Es scheint an der Zeit, dass wir unsere Vorurteile zu Helikopter-Eltern überdenken sollten.

Wir Millennial-Eltern machen vieles anders – und vieles richtig. Erfahre, warum Gefühle, Fürsorge und digitales Bewusstsein so wichtig sind und wir die Meinung unserer Boomer-Eltern über unseren Erziehungsstil getrost ignorieren können.

Ich bin letztens über ein TikTok gestolpert, in dem eine Mutter und Oma (Generation Babyboomer) sich ein bisschen darüber lustig macht, wie ihre Tochter (Millennial) ihre Kinder heute großzieht. Vor allem die schriftlichen Anweisungen der Tochter an sie für die Betreuung der Enkelkinder sind ihr dabei ein Dorn im Auge und es folgt der Satz, den jeder schon mal von den eigenen Eltern oder den Schwiegereltern gehört hat: „Ich frage mich, wie ich meine Kinder damals großziehen konnte?“

Die Antwort auf diese Frage könnte eigentlich ganz einfach sein: „Anders.“ Sie trifft aber nicht den Kern der rhetorischen Frage. Was die Oma aus dem TikTok und andere Kritiker*innen Millennial-Eltern nämlich eigentlich sagen wollen, wenn sie diese Frage stellen, ist: „Ihr überbehütet und verhätschelt eure Kinder.“

Was ist also dran, wenn Großeltern (unsere Eltern) anprangern, dass man seine Kinder ‚verzieht‘, zu verweichlichten und unselbstständigen Menschen? Was machen wir so anders, dass es ihre Gemüter so sehr erhitzt, dass sie sich gezwungen sehen, ihre Meinung bei TikTok, Insta oder in ihrem WhatsApp-Status zu posten?

1. Keine Angst vor Emotionen

Als ich aufwuchs, war es normal, Gefühle unter Kontrolle zu haben. Sprüche wie „Stell dich nicht so an!“ oder „Reiß dich zusammen!“ waren an der Tagesordnung, zu Hause, in der Schule oder an jedem anderen Ort, an dem Kinder und Erwachsene zusammen kamen. Man hatte sich zu beherrschen, was würden denn sonst die anderen denken. Gefühle wurden im Idealfall einfach unterdrückt.

Heute macht meine Generation, die Millennial-Generation, das anders: Wir achten darauf, dass unsere Kinder ihre Emotionen ausdrücken dürfen. Ja, sie können weinen, sie können wütend sein, und sie dürfen auch einfach mal traurig sein, ohne gleich einen „Plan B“ zu brauchen, um sich wieder zu beruhigen.

Sich seiner Gefühle bewusst zu sein und sie zu akzeptieren, ist eine der Säulen der Millennial-Erziehung. Denn wir wissen: Wenn Kinder wissen, dass sie sich uns gegenüber jederzeit öffnen können, stärkt das ihr Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl. Sie lernen, dass ihre Gefühle nicht nur legitim, sondern auch wichtig sind.

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2. (Über)Behütung

Wir, die Millennial-Eltern, sind diejenigen, die die Welt für unsere Kinder lieber etwas weicher machen möchten, als wir es damals selbst erlebt haben. Aber ich glaube nicht, dass Überbehütung der richtige Begriff ist. Vielmehr geht es uns um Schutz durch Fürsorge und eine starke Bindung. Als Eltern der heutigen Zeit versuchen wir, in einer Welt, die sich immer schneller dreht, in der Informationen immer und überall abrufbar sind, den Kindern einen sicheren Raum zu bieten, einen Ort, an dem sie wissen, dass sie aufgefangen werden.

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Diese Art der Fürsorge kann, übertreibt man es damit, die Selbstständigkeit der Kinder hemmen. Aber ich sehe sie auch als einen Balanceakt: Wenn ich merke, dass meine Kinder mehr Selbstvertrauen und Unabhängigkeit entwickeln, lasse ich los. Und ich lasse sie Fehler machen, auch wenn es manchmal schmerzt. Sie müssen aber nie Angst vor den Konsequenzen haben.

3. Lob-Pioniere

Es wird uns häufig vorgeworfen, dass wir eine Generation sind, die ihre Kinder zu sehr lobt. Und vielleicht kann man uns wirklich als die „Lob-Pioniere“ bezeichnen, aber das bedeutet nicht, dass unsere Kinder unrealistisch hohe Erwartungen an sich haben sollen.

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Das Gegenteil ist der Fall: Unsere ständige Bestärkung soll nicht nur die Selbstwahrnehmung unserer Kinder stärken, sondern ihnen auch die Werkzeuge an die Hand geben, mit den Herausforderungen des Lebens konstruktiv umzugehen.

In der Leistungsgesellschaft von heute ist es wichtig, dass Kinder von klein auf lernen, an sich zu glauben. Meine Generation möchte nicht, dass ihre Kinder bei jedem Misserfolg gleich das Gefühl haben, versagt zu haben. Stattdessen sagen wir: „Du hast es noch nicht geschafft, aber du wirst es mit Übung und Geduld schaffen.“

4. Digital Natives

Wir, die Millennials, gehören zu den ersten, die man als Digital Natives bezeichnen kann, also jene Generationen, die in der digitalen und vernetzten Welt groß geworden sind. Einer Welt, die unsere Eltern sich bloß erträumen konnten. Tatsächlich sind wir uns genau deshalb bewusst, dass die digitale Welt ein zweischneidiges Schwert ist, in der neben Bildung und unendlichen Informationen auch viele Gefahren stecken.

Kinder heute aber von Technik wie Handy und Computer fernzuhalten, ist utopisch. Unser aller Leben ist tagein tagaus von Technik geprägt. Wir Millennials versuchen deshalb, einen Rahmen für die Nutzung zu schaffen, mit alternativen Angeboten, aber auch Bildschirmzeiten und Regulierungs-Apps.

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Und diesen Rahmen, den unsere Kinder in diesem digitalen Zeitalter brauchen, den, so glauben wir Millennials, brauchen eben auch unsere Eltern hin und wieder. Denn auch wenn sie uns, wie sie immer betonen, „ohne größere Probleme“ großgezogen haben, so haben sie das doch zu einer ganz anderen Zeit getan.

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