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Schluss mit Scham: So reden wir korrekt über den weiblichen Körper

Grafik von verschiedenen Vulvas
© Adobe Stock

Vorab im Video: Vulvamuseum: Gebt Vulva Shaming keine Chance!

Wer sich die Bezeichnungen für den weiblichen Körper mal bewusst durchliest, der merkt: Hier steckt verdammt viel Scham drin. Man denke nur an Schamlippen, Schambehaarung und Kitzler. Und mehr noch: Manche Begriffe sind schlichtweg nicht korrekt.

Inhaltsverzeichnis

Erinnert ihr euch noch an den Aufklärungsunterricht in der Schule? In meiner Grundschulzeit wurde uns Schüler*innen damals ein Blatt vorgelegt, auf dem die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane abgebildet waren.

Eine einfache, sehr rudimentäre Zeichnung war da zu sehen und wir Kinder haben damals brav (und verschämt) die passenden Begriffe an den Rand geschrieben. Scheide und Penis und Schamlippen und all diese schönen Bezeichnungen.

Aber an eine korrekt eingezeichnete Klitoris kann ich mich nicht erinnern. Stattdessen war da ein kleiner Punkt mit einem Kästchen daneben, in das wir dann brav „Klitoris“ geschrieben haben. Was genau die da soll, wurde nicht erklärt.

Auch später, auf dem Gymnasium, habe ich im Biologiebuch kaum etwas über die Klitoris lesen können und auch nichts über die Lust oder Selbstbefriedigung von Frauen. Bis auf diesen einen allgemeinen Satz: „Dann berührt man sich und es fühlt sich plötzlich ganz schön an. Und danach schämt man sich.“ Ein Wunder, dass wir überhaupt irgendwann Sex gehabt haben, bei so viel seltsamen bzw. fehlenden Informationen.

Hierzu auch lesen: Selbstbefriedigung: Warum Frauen es viel öfter tun sollten

„Noch nie eine adäquate Abbildung von Vulva und Klitoris gesehen“

Fakt ist: Lange Zeit wurde die Klitoris nicht korrekt in Schulbüchern dargestellt. Sie wurde maximal als kleine Erbse eingezeichnet. Prof. Dr. Mandy Mangler, Chefärztin für Gynäkologie an zwei Vivantes-Kliniken in Berlin, sagte dazu: „In Kinderbüchern habe ich noch nie eine adäquate Abbildung von Vulva und Klitoris gesehen. Und die Klitoris fehlt selbst in den meisten medizinischen Anatomiebüchern.“

Das mit den Schulbüchern blieb so, bis dieser Missstand Anfang 2022 nach Petitionen in Frankreich auch hier in Deutschland publik wurde und es einen Trommelwirbel gab, dass in der Folge endlich auch der weibliche Körper mit seinen erogenen Zonen in Schulbüchern richtig erfasst und dargestellt wurde. Heureka!

Wohlgemerkt: Es geht um Schulbücher, also das Instrument, mit dem Kinder etwas über ihren Körper und die eigene Sexualität lernen sollen. Der Grundstein für ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper also.

Sina Krüger, einer 27-jährigen Lehrerin aus Berlin, ist es unter anderem zu verdanken, dass Mädchen heute mitbekommen, was für ein großartiges Wunderwerk die Klitoris ist. Keine kleine Knospe oder Erbse, sondern ein durchaus stattliches, großes Superwerkzeug.

Die Lehrerin hatte eine Masterarbeit dazu geschrieben, wie Klitoris, Vulvalippen und Hymen in Schulbüchern dargestellt werden und ihre Ergebnisse 2020 an die Schulbuchverlage geschickt. Mit Erfolg. Mittlerweile haben die Schulbuchverlage Klett, Cornelsen und Westermann ihre Darstellung der Klitoris korrigiert.

Darum ist die vorherrschende medizinische Meinung von Männern geprägt

Es gibt aktuell ein neues Buch, „Das große Gynbuch„, das ich gerne ein wenig feiern möchte, weil es so unendlich wertvoll für Mädchen und Frauen und natürlich auch alle anderen ist. Prof. Dr. Mandy Mangler hat dieses wunderbare Buch geschrieben, in dem sie umfassend Wissen über den weiblichen Körper und die weibliche Sexualität vermittelt und dazu auffordert, den weiblichen Körper endlich richtig zu sehen – und zu benennen.

Sie schreibt: „Oft ist der klare Blick darauf verstellt durch alte Rollenbilder, Projektionen und Mythen – auch und gerade in der Medizin, wo man immer noch vom Mann als Norm ausgeht. Selbst unseren eigenen Blick auf unseren Körper prägen diese Vorstellungen und nehmen damit Einfluss auf unser ganzes Leben.“

Dieser männliche Blick auf den weiblichen Körper wundert wenig, wenn man bedenkt, dass in der Frauenheilkunde heute circa 77 Prozent Gynäkologinnen und 23 Prozent Gynäkologen tätig sind. Die Spitzenpositionen bei Fachabteilungen, Lehrstühlen und Kliniken sind allerdings zu 81 bis 87 Prozent mit Männern besetzt.

„Und an der Spitze des Berufsverbandes für Gynäkologie stand noch überhaupt nie eine Frau. Damit sind selbst in der Frauenheilkunde auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus die Ausbildung, die Leitlinien für die Behandlung und die vorherrschende medizinische Meinung von Männern geprägt“, schreibt Prof. Dr. Mandy Mangler dazu.

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Diese Begriffe sind schlichtweg falsch

Diese männliche Sicht hat Auswirkungen, die uns vielleicht gar nicht immer so bewusst sind. So wird unter dem Begriff „Scheide“ immer noch oft Vulva und Vagina zusammengefasst, und es wird noch immer von einem „Jungfernhäutchen“ gesprochen, was ebenfalls nicht die Tatsachen des weiblichen Körpers korrekt abbildet.

Ebenso, wie Frauen sich in der deutschen Sprache ewig lang „mitgemeint“ fühlen mussten, zeigt die deutsche Sprache auch in Bezug auf den weiblichen Körper und die weibliche Sexualität, dass da noch viel Luft nach oben ist.

Die korrekte Darstellung und Benennung der Klitoris in Schulbüchern war ein guter Anfang, aber wir sollten auch andere nicht korrekte Dinge mal überdenken – und in unserem Verständnis und Sprachgebrauch ändern.

Diese Begriffe wären korrekt

Hier ein paar sprachliche Verbesserungen, die Prof. Dr. Mandy Mangler vorschlägt, die hoffentlich Schluss machen mit all der Scham, den Schambeinen, Schamhaaren und Schamlippen.

„Schamhaare“ -> besser: Intimbehaarung
Das Wort „Scham“ impliziert, dass Frauen sich für ihre Genitalien schämen müssen.

Schambein“ -> besser: Symphyse
Die Rede ist von dem Knochen am unteren Ende des Bauches, der lange Zeit Schambein genannt wurde. Anatomisch korrekt heißt er „Symphyse“. Hört sich auf jeden Fall weniger schambehaftet an.

„Kitzler“ -> besser: Klitoris
Das Wort Kitzler vermittelt eine seltsame Sicht auf weibliche Lust. Oft wird die Klitoris auch als „Knöpfchen“ bezeichnet. Sogar in der Fachliteratur. Dabei ist die Klitoris im Durchschnitt elf Zentimeter groß. Funfakt dazu: der griechische Begriff Klitoris (lateinisch clitoris, altgriechisch kleitorís), bedeutet übersetzt „kleiner Hügel“.

Gewusst: In der Regel sehen wir Penis und Vagina als Paar. Einfach, weil Sexualität oftmals mit Penetration gleichgesetzt wird. Was nicht richtig ist. Zudem ist es auch anatomisch falsch. Prof. Dr. Mandy Mangler erklärt: „Nicht Penis und Vagina bilden ein Paar, sondern Penis und Klitoris. Beide Organe sind mit Vorhof und Schwellkörper embryologisch aus dem gleichen Gewebe entstanden. Die Klitoris ist das Lustorgan der Frau, nicht die Vagina.“

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„Scheide“ -> besser: Vagina
Man denkt bei dem alten Begriff an Schwert und Scheide. Damit wird das weibliche Geschlechtsorgan als sehr passiv dargestellt. Womit wir zum nächsten Punkt kommen:

„Penile Penetration“ -> besser: vaginale Zirklusion
„Die Vagina umschließt aktiv den Penis. Wer von Penetration spricht, billigt dagegen dem Penis des Mannes die aktive Rolle zu. Die Vagina der Frau wird zum passiv empfangenden Gefäß“, erklärt Mandy Mangler.

Jungfernhäutchen“ -> besser: vaginaler Kranz
Hierbei geht es um eine Schleimhautfalte mit einer ringförmigen Struktur, die lange Zeit als „Jungfernhäutchen“ bezeichnet und so oft von patriarchalischen Systemen zur Machtausübung genutzt wurde. So soll das Vorhandensein dieser Hautfalte ‚Jungfräulichkeit‘ bezeugen. Was falsch ist, weil selbst Frauen, die etliche Kinder geboren haben, diese Schleimhautfalte mitunter noch besitzen. Ihr Fehlen oder ihre Existenz sagt nichts darüber aus, ob eine Frau schon einmal penetrativen Sex hatte oder nicht. Zudem ist diese Hautfalte kein Verschluss, sondern eher ein ringförmiges Gebilde, ähnlich einem Kranz.

Äußere und innere Schamlippen“ -> besser: äußere und innere Vulvalippen

„Äußere Genitalien“ (große und kleine Schamlippen samt Klitoris) -> besser: Vulva
Der Begriff Vulva ist wunderbar und beschreibt die äußeren und inneren Vulvalippen, den Vulvahügel und die Klitoris. Statt Kindern Begriffe wie „Mumu“ oder „Muschi“ beizubringen, sollten wir den großartigen Begriff Vulva verwenden. Korrekt und gut.

Wer sich jetzt über diese sprachlichen Feinheiten aufregt und sich denkt: „Ja, haben die Frauen heute denn wirklich nichts Besseres zu tun?“ dem sei gesagt: Wir können auf den Mond fliegen, KI für uns arbeiten lassen und noch viel mehr. Wie kann es da sein, dass wir den weiblichen Körper immer noch aus Jahrtausende alter Sichtweise von vorwiegend männlichen Wissenschaftlern sehen und falsche Begrifflichkeiten verwenden? Dass Frauen hier endlich aufräumen und die Sprache bewusst ändern möchten, ist sinnvoll und wichtig.

Buchtipp:
Das große Gynbuch“ von Prof. Dr. Mandy Mangler. Darin geht es um alle Bereiche der Frauengesundheit, leicht verständlich, anschaulich und auf dem neusten Stand der Wissenschaft. Das Themenspektrum geht von der ersten Menstruation über Sexualität und Schwangerschaft bis zu den Wechseljahren und darüber hinaus. -> Jetzt hier bei Amazon ansehen!*

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