Inhaltsverzeichnis
- Was ist Polyamorie?
- Was ist der Unterschied zu einer offenen Beziehung?
- Tipps für die polyamore Beziehung
- Der Grundgedanke der polyamoren Beziehung
- Schwierigkeiten bei Polyamorie
- Fazit
Das gängigste Beziehungsmodell in unserer Gesellschaft ist immer noch folgendes: Monogamie, Treue und Exklusivität in der Partnerschaft. Man hat also eine feste Partnerin bzw. einen festen Partner. Daneben gibt es platonische, also rein freundschaftliche Beziehungen. Aber eine Liebesbeziehung, mit Gefühlen, Nähe und Sexualität gibt es nur mit dieser einen Person.
Dieses Konstrukt ist in unserer Gesellschaft noch immer ziemlich unangefochten auf Platz eins der Beziehungsmodelle. Aber angesichts der vielen Affären und Ausrutscher in Beziehungen fragt man sich: Bildet die monogame Beziehung immer noch für die Mehrzahl der Menschen die realen Wünsche ab? Sind wir überhaupt langfristig zu Monogamie fähig oder sprechen die unzähligen Affären und Seitensprünge nicht eine andere Sprache?
Wäre da ein offenes Modell, ohne Heimlichkeiten, nicht vielleicht ehrlicher? Längst gibt es andere Partnerschaftsmodelle, die genau hier ansetzen. Eines davon ist das Modell der Polyamorie in Beziehungen.
Was ist Polyamorie?
Viele Menschen sehnen sich danach, verliebt zu sein und dieses unbeschreibliche Gefühl zu erleben – und durchaus auch Menschen, die in einer festen Beziehung stecken. Schließlich begegnet man in seinem Leben vielen Personen und die ein oder andere sorgt sicher auch mal für Herzflattern.
In der monogamen Beziehung gibt es hier wenig Spielraum, für derlei Gefühle außerhalb der festen Zweisamkeit. Und so schauen wir schnell wieder weg, wenn uns jemand aufregendes begegnet, für den wir plötzlich Gefühle haben. Letztlich hat man hier nur eine begrenzte Anzahl an Möglichkeiten: Man kann Schluss machen und den Gefühlen für die andere Person nachgehen. Man kann den Gefühlen nachgehen, ohne Schluss zu machen, also auf gut Deutsch heimlich eine Affäre beginnen. Oder man verbietet sich die Gefühle für die andere Person und bleibt in der bestehenden Partnerschaft.
Polyamor lebende Personen gehen einen anderen Weg. Sie lassen die Gefühle für die dritte Person im Bunde zu. Sie sehen die Begegnung als etwas an, das sie bereichert. Ihre bestehende Partnerschaft wird dadurch nicht gefährdet. Beides schließt sich für sie nicht aus.
So führen polyamore Menschen letztlich mehrere Liebesbeziehungen parallel. Wenn sie sich also in einen anderen Menschen als den jetzige*n Partner*in verlieben, dann erlauben sie sich ihren Gefühlen nachzugehen und sind mit zwei Personen zusammen und glücklich.
Der Begriff Polyamorie setzt sich zusammen aus griechisch „Polys“, was so viel wie „viele“ bedeutet, und dem lateinischen „amor“ für Liebe.
Diese Beziehungsform kam übrigens vermehrt in den 1990er Jahren auf. Die Polyamorie-Anhänger wollten sich bewusst von der sexuellen Freiheit der freien Liebe der 1968er Jahre abgrenzen.
Definition laut Queer-Lexikon:
Polyamorie / Polyamory: Polyamouröse Menschen können sich in mehr als nur eine Person zur gleichen Zeit verlieben und führen romantische und/oder sexuelle Beziehungen mit mehr als einer Person. Wichtig ist, dass alle Beziehungs- und/oder Sexualpartner*innen mit dieser Beziehungsform einverstanden sind.
Was ist der Unterschied zu einer offenen Beziehung?
Man darf Polyamorie jedoch nicht mit einer offenen Beziehung verwechseln. Bei einer offenen Beziehung schenkt man sich zwar auch gegenseitig gewisse Freiheiten. Doch die sehen anders aus. In der offenen Beziehung gibt es eine feste Partnerschaft, und nebenher dürfen beide ihrer Lust nach Sex mit anderen nachgehen. Das bedeutet aber auch nur, dass sie Sex mit anderen haben – die Gefühle oder gar echte Liebe bleiben außen vor.
Viele Paare, die eine offene Beziehung führen, vereinbaren, dass sie sich ehrlich von ihren Seitensprüngen erzählen. Aber, auch das die wichtige Regel: Die Seitensprünge bleiben eben genau das: Nebenschauplätze.
Bei der Polyamorie erlauben sich beide Partner, auch andere Menschen interessant zu finden, aber eben nicht nur sexuell, sondern komplett und ganz. Das bedeutet, dass Gefühle und enge Bindungen und körperliche Zärtlichkeiten, Nähe und Sex mit anderen Personen für beide OK sind.
Man liebt sozusagen zwei Menschen oder auch drei oder mehr, wenn man sich denn mehrfach verliebt. Denn es geht nicht nur um drei beteiligte Personen, es können auch weit mehr Partner und somit Beziehungen dazukommen.
An diesem Punkt ist einem sicherlich klar, dass diese Art der Beziehung durchaus noch komplizierter ist, als eine offene Beziehung. Es braucht auch hier klare Regeln und Abmachungen von beiden Partner*innen. Denn bei einer offenen Beziehung können beide klar Sex und Gefühle trennen. Bei der Polygamie hingegen geht es wirklich um mehrere gleichberechtigte Beziehungen, die nebeneinander existieren können und sogar gleichberechtigt sein können.
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Tipps für die polyamore Beziehung
Klingt nach Gefühlschaos und genau das kann eben schnell passieren. Denn was, wenn einer von beiden sich in jemand anderen verliebt und eine parallele Beziehung anfängt, der andere aber nicht? Haben beide Partner*innen eine zweite Beziehung und einen anderen Menschen, den sie noch lieben, wird es sicherlich einfacher.
Ebenfalls kompliziert wird es, wenn beide sich in ein und dieselbe Person verlieben, sprich: Man ist von nun an zu dritt in der Beziehung und alle drei Personen sind ein Liebespaar. Zugegeben, diese Art der Dreiecksbeziehung ist eher der Sonderfall. Aber auch das sollte man miteinander durchsprechen, für den Fall der Fälle.
Einfacher der Fall, wenn jeder von beiden eine zweite Liebesbeziehung nebenbei führt und zudem alle Beteiligten miteinander gut klarkommen, also voneinander wissen, sich akzeptieren oder vielleicht sogar miteinander befreundet sind.
Fakt ist übrigens, dass die meisten polyamouröse Menschen alleine leben. Denn wenn man zwei oder mehr Beziehungen gleichzeitig hat, mit welchem Partner sollte man dann zusammen wohnen? Und wenn man seinen Alltag und seine vier Wände mit einem Partner oder einer Partnerin teilt, wie sollte man dann die dritte oder gar vierte Person integrieren? Allein wohnen kann das einfacher machen – wenn man das möchte.
Egal in welcher Konstellation und wie man lebt: Der wichtigste Tipp ist in jedem Fall, dass Wissen und Einverständnis aller Partner*innen zu dem Beziehungsmodell. Keine Heimlichkeiten, klare Regeln und eine klare Kommunikation. Aber beide sollten auch klar sagen, was sie nicht von der jeweils anderen Beziehung wissen möchten. Auch das kann eine wichtige Regel sein in einer polyamoren Beziehung.
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Der Grundgedanke der polyamoren Beziehung
Der Grundgedanke der Polyamorie ist zum einen, nicht nur eine Liebe zuzulassen, sondern mehrere Lieben, wenn sie einem nunmal zeitgleich begegnen. Man nimmt es als Geschenk, gleich mehrere nahe Menschen in seinem Leben zu haben und führt mit beiden eine Beziehung.
Normalerweise – wenn es ein normal gibt – hat man in unserer Gesellschaft dank der längeren Lebenserwartung heute eher selten eine*n einzige*n Lebenspartner*in in seinem Leben, sondern mehrere Lebensabschnittspartner*innen, die man liebt. Allerdings gesellschaftlich akzeptiert nur als monogame Beziehungen, die man nacheinander und nicht zeitgleich führt.
Dass unsere Gesellschaft das Model der lebenslangen Beziehung oder der aufeinander folgenden Lebensabschnittspartner als normal empfindet, sollte jeder für sich selbst hinterfragen, ob es für ihn passt. Und das sollte nicht in irgendeiner Art und Weise verurteilt werden. Schließlich gibt es auch Gesellschaften, in denen beispielsweise die Vielehe gesellschaftlich angesehen und als „normal“ empfunden wird.
Es ist wichtig und richtig, die gängigen Beziehungsformen auch mal kritisch zu hinterfragen. Denn nur wenn wir das für uns passende Beziehungsmodell gefunden haben, können wir eine ehrliche und für beide Seiten glückliche Beziehung führen. Das kann in vielen Fällen eine monogame Beziehung sein. Muss es aber nicht.
Der zweite Grundgedanke der Polyamorie – und der ist sehr schön – ist es, sich für seine*n Partner*in freuen zu können. Ein selbstloser Gedanke also, fernab von Besitzdenken und Eifersucht.
Beide sagen sich: Wenn der Mensch, den ich liebe, glücklich ist, dann bin ich es auch. Wenn der Partner oder die Partnerin also das Verliebtheitsgefühl mit einer anderen Person genießt und dadurch glücklich ist, freue ich mich für ihn, gerade weil ich ihn liebe. Eifersucht ist polyamor lebenden Menschen deshalb fremd.
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Schwierigkeiten bei Polyamorie
Natürlich ist die Umsetzung dieses Modells nicht für jede*n gleichermaßen einfach oder überhaupt möglich. Und es gibt etliche Fallstricke. Mehrere Liebesbeziehungen gleichzeitig bedeuten eben auch, dass man an mehreren Fronten Beziehungsarbeit leistet. All das, was man in einer monogamen Beziehung am Anfang der Beziehung ausdiskutiert und erarbeitet, macht man also doppelt oder gar dreifach.
Und auch das Thema Eifersucht lässt sich sicherlich nicht immer vermeiden, denn wie fühlt man sich, wenn man weiß, dass der Mensch, den man liebt, gerade in den Armen eines anderen liegt? Kann man hier wirklich so frei und selbstlos sein, wie man sich das wünschen würde?
Zudem kostet es auch Kraft und Disziplin, seine Zeit, Energie und Aufmerksamkeit auf zwei oder mehr Partner*innen gerecht aufzuteilen, ohne dass einer zu kurz kommt.
Zudem kann es auch passieren, dass man einen Menschen gerade etwas mehr liebt als den anderen. Klassifiziert man dann also seine Partnerschaften nach Wichtigkeit und Gefühlsintensität?
Ein weiteres Problem: Es gibt viele Dinge, die man in einer monogamen Beziehung oftmals automatisch macht. Man stellt den anderen seiner Familie vor. Man fährt mit diesem Menschen in Urlaub, verbringt mit ihm Weihnachten, Geburtstag und Feiertage. Und: Wer pflegt einen, wenn man krank ist? Das sind alles Fragen, die aufkommen werden und für die man gewappnet sein muss.
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Fazit
Wegen all dieser Probleme und Fallstricke erfordert eine polyamore Beziehung mindestens genau so viel Kommunikation und Regeln, wie eine monogame Beziehung. Total entspannt und unkompliziert ist es sicher nur in seltenen Glücksfällen. Aber es kann auch funktionieren und es gibt sicherlich Menschen, für die genau dieses Beziehungsmodell das große Glück ist.