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Ist man eine Frau, kinderlos und zwischen Ende 20 und 35, fängt das Ganze an: Ständig wird man darauf angesprochen, dass es doch „nun mal langsam an der Zeit sei.“ Ganz irritiert angesehen wird man als Nicht-Mutter, manchmal mitleidig („Es hat wohl nicht geklappt.“), manchmal leicht verächtlich („Die hat wohl Angst, was zu verpassen.“).
Wenn man mit den Kindern der Freundinnen spielt, heißt es schnell: „Guck mal, da tickt die biologische Uhr doch auch schon!“ oder „Ein Kind würde dir auch sehr gut stehen!“
Selbst der Frauenarzt oder die Frauenärztin drängt einen dazu, doch schon mal Folsäure zu nehmen und die Pille abzusetzen. „Nicht, dass Sie dann hier mit 37 sitzen und es klappt nicht.“ Dabei hat man ihn gar nicht um Rat gebeten. Genauso wie die Freund*innen, Verwandten und Bekannten.
Denn ob man ein Kind bekommen möchte oder nicht, geht letztlich niemanden etwas an – außer einen selbst und den Partner oder die Partnerin. Warum nur findet man sich plötzlich in der Situation wieder, dass man sich vor anderen zu dieser sehr persönlichen Frage rechtfertigen muss?
Gibt man als Frau dann offen zu, gerade keinen Kinderwunsch zu haben, bekommt das Gegenüber nicht selten diesen verständnislosen, irritierten Gesichtsausdruck. „Warum? Du bist doch schon lange mit deinem Partner zusammen. Hast du Angst, dein altes Leben mit mehr Geld, Partys und jeder Menge Freizeit aufzugeben?“
Oder gut gemeinte Ratschläge: „Du weißt gar nicht, was dir entgeht, wenn du kein Kind bekommst. Das wirst du später bereuen und im Alter einsam sein.“ Oder gar Vorwürfe: „Wo käme die Gesellschaft hin, wenn jeder so denken würde? Wer würde dann die Renten zahlen, wenn niemand Kinder bekommt? Das ist auch irgendwie egoistisch.“
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Diese Gründe nennen die meisten Frauen
Die Fragen nach dem Warum hat auch die Autorin und Filmemacherin Sarah Diehl, 43 und selbst kinderlos, beschäftigt. Sie hat ein Buch geschrieben, in dem sie kinderlose Frauen zu Wort kommen und sie erzählen lässt, warum sie keine Kinder haben und wie ihr Umfeld darauf reagiert hat.
Die Frauen, mit denen die Autorin gesprochen hat, haben viele Gründe angegeben, kein eigenes Kind bekommen zu wollen – egoistische Gründe waren nicht darunter. Manchmal waren es einfach die Umstände statt einer bewussten Entscheidung für oder gegen ein Kind. Man hat nicht den passenden Partner gefunden, mit dem man das Projekt Kind wagen wollte.
Manchmal wurde die Entscheidung gegen ein Kind aber auch bewusst getroffen. Und, Heureka, dabei ging es nicht um Geld, Freiheit und Ungebundenheit. Viele Frauen äußerten die Angst davor, wie die eigene Mutter in alte Rollenmuster gedrängt zu werden: Der Mann arbeitet, die Frau bleibt zu Hause und gibt ihre beruflichen Ziele (vorerst) auf.
Viele Frauen äußerten auch die Angst, die Doppelbelastung als Mutter und Arbeitende könne sie überfordern. Oder hatten Sorge, dass der Stress, den ein Kind mit sich bringt, die Beziehung kaputt machen würde, sodass man letztlich alleine mit seinem Kind dasteht. Manche Frauen hingegen wollen auch keine Karriere statt Kind, sondern sie wollen sich einfach allen gesellschaftlichen Erwartungen entziehen.
Nicht selten ist es auch das Phänomen Hellicopter-Eltern beziehungsweise das vorgelebte Muttersein im Bekanntenkreis, das Frauen zurückschrecken lässt. Jene Eltern, die sich bemühen, ihr Kind rund um die Uhr glücklich zu machen, und bei denen sich alles nur noch um das Kind dreht und die sich selbst und ihre Wünsche irgendwann an der Garderobe abgegeben haben.
Auch ich kenne viele Eltern, die ihr „altes“ Leben komplett abgelegt haben, als die Kinder kamen. Und nicht nur das: Die ihr bisheriges Leben und somit das Leben kinderloser Frauen auf einmal für oberflächlich und sinnfrei erachten.
Letztlich sollten wir alle doch ein wenig toleranter sein, gegenüber Menschen, die einen anderen Lebensentwurf für sich haben. Denn all die von den kinderlosen Frauen geäußerten Gründe, Ängste und Überlegungen sollten doch erlaubt sein, oder? Und vor allem eins: Sie sollten sich dafür nicht rechtfertigen müssen.
Die Frage ist ja durchaus berechtigt: Gibt es nicht noch einen anderen Lebensentwurf, als den der Kleinfamilie, die sich in ihr Heim zurückzieht, um sich ganz dem Wohl ihrer Kinder zu widmen?
Kinderlose Männer werden ganz anders behandelt
Doch leider gilt hier für Frauen etwas komplett anderes als für Männer. Frauen müssen Gründe haben, wenn sie kein Kind bekommen möchten. Sie müssen sich für etwas rechtfertigen, das sie NICHT tun. Und das, obwohl jeder vierte Mann mit 49 Jahren noch keine Kinder hat, aber lediglich 16 Prozent der Frauen in diesem Alter kinderlos sind (-> mehr dazu).
Bei Männern ist das anders. Sie sind nicht in einer Beweispflicht. Selten wird ein kinderloser Mann mit Fragen nach seinen Gründen behelligt. Bei einem Mann würde man auch nicht unbedingt schlussfolgern, dass es wohl „einfach nicht geklappt hat.“ Ein kinderloser Mann ist vielleicht einfach noch ungezähmt, der ewige Junggeselle, der die richtige Frau noch nicht gefunden hat.
Und klar, ein Mann hat einfach viel länger Zeit ein Kind zu zeugen als eine Frau. Nicht wenige, die sich noch im fortgeschrittenen Alter bemüßigt fühlen, ein Kind in die Welt zu setzen, dessen Schulabschluss sie eventuell gar nicht mehr miterleben werden.
Fakt ist: Egal, welche Gründe eine Frau hat, sie sollte das Recht haben, frei über ihr Leben entscheiden zu können. Wer keine eigenen Kinder bekommt, kann sich sehr wohl wertvoll in die Gesellschaft einbringen. Zum Beispiel als begeisterte Patentante, als Babysitterin der besten Freundin oder indem man sich für gesellschaftliche Projekte engagiert – einfach, weil man mehr zeitliche Kapazitäten hat als Eltern.
Was oft vergessen wird: Kein eigenes Kind zu bekommen, heißt ja noch lange nicht, dass man Kinder nicht mag. Es gibt viele Möglichkeiten, ein erfülltes Leben zu leben. Mit oder ohne Kind. Die Entscheidung sollte jeder für sich alleine treffen dürfen.
Buchtipp:
Sarah Diehl: Die Uhr, die nicht tickt. Kinderlos glücklich. Eine Streitschrift, Arche Literatur Verlag, hier auf Amazon erhältlich*.