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Psychologie: Was es bedeutet, wenn du Gesichter in Dingen siehst

Gesicht im Kaffee
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Ist dir schonmal aufgefallen, dass du in alltäglichen Gegenständen plötzlich Gesichter entdeckst? Damit bist du nicht alleine.

Inhaltsverzeichnis

Egal, ob es die Steckdose ist oder die Löcher im Gouda aus dem Kühlschrank: Manchmal scheinen wir in gewissen Gegenständen oder Dingen, Gesichter zu erkennen. Gleichzeitig wissen wir aber natürlich, dass es sich dabei nicht um echte Menschen oder Lebewesen handelt – und doch wirkt für einen kurzen Moment alles so lebendig.

Aber ist das Ganze überhaupt normal? Kleine Entwarnung an dieser Stelle: Wir alle sehen ab und an Gesichter in den verschiedensten Gegenständen. Dieses Phänomen ist unter dem Begriff Pareidolie bekannt. Der Begriff leitet sich von den griechischen Wörtern „para“ (daneben, vorbei) und „eídōlon“ (Form, Erscheinung, Bild) ab und lässt sich als abweichende Wahrnehmung im Sinne von „Trugbild“ übersetzen.

Funfact: Neben der visuellen Pareidolie gibt es auch die akustische Pareidolie, bei der Worte oder Stimmen in alltägliche Geräusche hineingehört werden.

Blatt mit Gesicht
Diesem Blatt scheint ziemlich viel Spaß zu haben. Credit: Getty Images

Beim Anblick einer Pareidolie sind wir uns immer noch darüber bewusst, dass wir gerade eine Mülltonne, ein Blatt oder einen Kaminsims betrachten und kein echtes Gesicht. Im Gegensatz zu einer Halluzination können dabei mehrere Personen zeitgleich das gleiche Gesicht im selben Gegenstand sehen. Wir kennen das aus Kindertagen, wenn wir gemeinsam mit unseren Freunden irgendwelche Gesichter oder Tiere in den Wolken gesucht haben.

Dass wir gezielt danach Ausschau halten, ist ebenfalls charakteristisch für eine Pareidolie. Denn Gesichter zu sehen, wo keine sind, hat nicht nur mit Fantasie, sondern auch viel mit unserer inneren Erwartungshaltung zu tun.

Pareidolie für Fortgeschrittene: Würdet ihr hierin Gesichter sehen, wenn ihr nicht damit rechnen würdet?

Pareidolie entsteht im Gehirn

Um das Phänomen Pareidolie richtig begreifen zu können, müssen wir uns kurz unserem Wahrnehmungsapparat widmen: Wir sehen nämlich nicht mit den Augen, sondern mit dem Hirn. Erst dort erhalten bloße Strukturen wie Striche und Punkte eine Bedeutung. Selbst vage Informationen, die wir vielleicht nur aus dem Augenwinkel aufgefangen haben, laufen hier als visuelle Reize zusammen und werden vom Gehirn rasend schnell ergänzt. Das Ziel: direkt reagieren zu können.

Die Vorlage dafür sind vertraute bzw. erlernte Muster. So wie „Punkt, Punkt, Komma, Strich“ als Formel zum Gesichtererkennen. Laut Stangl-Lexikon ist das Gehirn – genauer gesagt, die Großhirnrinde des Schläfenlappens – hier übrigens besonders großzügig. Es tendiert dazu, selbst grobe Punkte als vollständiges Gesicht durchzuwinken. Wir sind quasi darauf gepolt, überall Gesichter zu sehen und müssen uns eher anstrengen, das Gesicht auszublenden.

Gesichter zu erkennen ist angeboren

Wie fest es in unserer Wahrnehmung verankert ist, Gesichter zu erkennen, haben britische Forscher 2017 herausgefunden. In ihrer Studie strahlten sie Frauen, die im letzten Drittel ihrer Schwangerschaft waren, Lichtpunkte auf den Bauch. Diese Projektionen waren wie ein Gesicht im Dreieck angeordnet. Die ungeborenen Säuglinge fixierten diese Gesichter und folgten ihnen sogar mit dem Kopf. Dies taten sie nicht mehr, sobald der Lichtimpuls umgedreht wurde und somit nicht mehr als Gesicht identifizierbar war.

Das Gesichterkarussel dreht sich weiter – viel Spaß beim Durchklicken!

Übrigens: Wie der ‚Standard‚ berichtet, reagieren auch Rhesusaffen verstärkt auf Gesichter – stärker noch als auf Fotos von Artgenossen.

Das Experiment unterstützt die Annahme, dass die Neigung, Gesichter zu erkennen, bereits angeboren ist. Dies heißt jedoch nicht, dass automatisch jeder auch in unbelebten Dingen und Landschaften Gesichter sieht.

Nur Neurotiker sehen Gesichter in Gegenständen?

Laut ‚Business Insider‚ sind japanische Wissenschaftler zu dem Ergebnis gekommen, dass vor allem neurotisch veranlagte Menschen dazu tendieren, Gesichter in Dinge hineinzuinterpretieren. Der Grund dafür sei, dass Personen mit einer etwas instabileren Persönlichkeit emotional stärker unter Stress stehen und daher eher auf fixe Muster anspringen als weniger empfindliche Menschen.

Kurz gesagt: Wer anfällig für Paradolie ist, vertraut stärker auf seine Instinkte.

Funfact: Auch stark religiöse Menschen sollen eine Tendenz dazu haben, Gesichter in Objekten zu sehen. Besonders gerne natürlich das Antlitz eines Heiligen. Ein gammliges Käsetoast mit dem vermeintlichen Gesicht der Mutter Maria erreichte 2004 auf Ebay eine Rekordsumme von 28.000 US-Dollar. Inzwischen gibt es sogar passende Heiligenstempel für Toastbrot zu kaufen.

Pareidolie ist überlebenswichtig

Sind wir also insgeheim alle paranoid, wenn wir überall Gesichter sehen? Ja und nein. Viele Wissenschaftler sehen den Ursprung der Pareidolie in der Evolutionsgeschichte. Frei nach dem Motto „lieber ein Gesicht mehr als zu wenig sehen“ sei es schon in der Steinzeit lebensnotwendig gewesen, schnell Gesichter und somit mögliche Feinde auszumachen.

Der blinde Alarm, der in unserem Kopf heute noch beim Anblick eines „brüllenden“ Hydranten losgeht, ist also Teil eines früheren Überlebensinstinkts und durchaus nützlich.

Dazu passt, dass Frauen laut der japanischen Neurosen-Studie die zweite große Gruppe bilden, die besonders häufig Gesichter in ihrer Umgebung zu erkennen meinen. Forscher begründen dies so, dass wir Frauen schon seit grauer Vorzeit mehr auf der Hut sein mussten als Männer. Reaktionsschnell zu sein und die Gefahr eines lauernden Angreifers auch in der Dämmerung frühzeitig zu entdecken, war seit jeher von großem Nutzen.

Pareidolie sichert das soziale Zusammenleben

Die Pareidolie schützt uns jedoch nicht nur vor möglichen Angriffen. Sie sichert zugleich das soziale Miteinander. Vielleicht auch ein weiterer möglicher Grund dafür, dass Frauen eher darin geübt sind, Gesichter wahrzunehmen als Männer. Sagt man ihnen doch gerne nach, dass sie allgemein mehr Interesse am sozialen Gefüge hätten und Gesichtsausdrücke besser unterscheiden könnten.

Darum macht es heute noch Sinn, überall Gesichter zu sehen

Auch wenn wir heutzutage glücklicherweise nicht mehr jederzeit damit rechnen müssen, auf freiem Feld überfallen zu werden, gibt es noch immer reichlich gute Gründe für die Pareidolie.

Wer geübt darin ist, sich Gesichter einzuprägen, findet verloren gegangene Freunde theoretisch auch in großen Menschenmassen und kann sich besser in der Menge orientieren.

Ganz zu schweigen von dem praktischen Nutzen macht es schlichtweg glücklich, lustige Gesichter in Hausfassaden, Autos, Werkzeugen oder auch in unserem Essen zu entdecken. Das weckt unsere Fantasie, schärft unseren Blick für Details und lehrt uns, genauer hinzuschauen.

Pareidolie 2.0: „Faces in Things“ und „Eyebombing“

Wie viele Anhänger die Pareidolie hat, zeigt beispielsweise der Twitter-Account „Faces in Things“, wo seit 2013 Beweisfotos von Dingen mit kuriosen Gesichtern geteilt werden. Der Kanal hat bereits über 650.000 Follower (Stand 20.08.2019).

Eyebombing rotes Gesicht.
Diesem Gesicht stockt der Atem. Credit: Molitor

Ein weiteres Beispiel für den Trend zur Pareidolie ist das sogenannte „Eyebombing“. Bei dieser Guerilla-Kunstaktion werden öffentliche Gegenstände vermenschlicht, indem man ihnen Augen aufklebt. Das soll auch uns helfen, mit offeneren Augen durch die Welt zu laufen. Und ist ein guter Grund, mal wieder zu lächeln.

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