Veröffentlicht inLiebe & Psychologie, Mein Leben

Sexismus in der Werbung: Keine Frage des Humors

Sexismus in der Werbung
© Getty Images

WFT: Sexistische Werbung

Sexismus in der Werbung begegnet uns tagtäglich. Und es geht nicht nur um nackte Frauenkörper, die sich auf einer Motorhaube räkeln, sondern auch um stereotype Geschlechterklischees, die ärgerlich sind. Deshalb betrifft Sexismus und miese Werbung auch nicht nur Frauen.

Inhaltsverzeichnis

In unserer Reihe „Supporting Women“ wollen wir auf Diskriminierung, Gewalt und Hass gegen Frauen mitten unter uns hier in Deutschland aufmerksam machen. Damit ein Bewusstsein entsteht über Missstände, die leider auch heute noch an der Tagesordnung sind.

Es gibt Dinge, die uns gar nicht wirklich bewusst sind, denen wir aber ständig in unserem Alltag begegnen und die so nicht korrekt sind. Die Rede ist von Sexismus in den Medien, in der Werbung, im Fernsehen und letztlich in den Köpfen der Leute.

Und nur weil man sich längst an den Anblick gewöhnt hat, so besagt das ja noch lange nicht, dass es ok ist. Dass es OK ist, dass eine Frau wie ein Stück Fleisch über den Grill schaukelt, reduziert auf ihren Körper und dazu der Satz „Medium rare oder richtig durch nehmen?“ Dieser Fall ist unnötig, ärgerlich und sexistisch.

Oder eine Werbung mit Comedian Atze Schröder, in der es witzig sein soll, wie er sich ein riesiges Grillwürstchen vor die Nase hält und dazu geschrieben wurde: „Danach müssen Gina und Lisa erstmal in Traumatherapie.“ Im letzten Fall gab es glücklicherweise im Netz einen Shitstorm, schließlich wurde hier mutmaßlich eine Frau verspottet, die zwei Männer beschuldigt hatte, sie vergewaltigt zu haben. Auch wenn sich der Künstler später dafür entschuldigte und der Spot zurückgezogen wurden, so zeugt es doch von wenig Verständnis und Sensibilität in Bezug auf die Würde von Frauen.

Das Schlimme: Oftmals wird Frauen, die sich über derartige Werbung echauffieren, gesagt, sie hätten einfach keinen Sinn für Spaß und Humor und sollten sich mal entspannen. Aber sexistische Werbung hat nichts mit Humor zu tun. Das ist ein Fakt. Wir suggerieren Frauen, dass sie Objekte sind, die dazu da sind „genommen“ zu werden und sexuell zur Verfügung zu stehen. Und diese Art der Werbung ist überall. Selbst ein Fliesenhersteller, der meint, eine sich nackt auf der Ware räkelnde Frau steigere den Absatz.

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Und selbst WENN wir Frauen das Ganze mit Humor nehmen wollten, so darf man eine Tatsache nicht außer Acht lassen: Diese üble, sexistische Werbung prägt munter die nächste Generation an Männern und Frauen.

Denn nicht nur wir sind diesem Sexismus ausgesetzt, sondern auch unsere Kinder. „Über Reklame werden Botschaften transportiert, Lebensgefühle erzeugt und Idealbilder verbreitet. Werbung gibt gesellschaftliche Rollenbilder weiter und zeigt uns, wie Frauen und Männer angeblich zu sein haben. Bereits Kinder werden früh von diesen Bildern geprägt“, sagt Terre des Femmes.

Wollen wir das wirklich oder fangen die Damen und Herren in den Werbeagenturen nicht vielleicht doch mal an, sich auch mal was anderes einfallen zu lassen? „Sex sells“, heißt es ja so schön, aber auf dieser plumpen Denkweise kann man sich ja nicht ewig ausruhen.

Frauenfeindliche Werbung ist strukturelle Gewalt (Terre des Femmes)

Der kleine aber feine Unterschied zwischen sexy und sexistisch

Leider sind die Übergänge von ironisch gemeinter Werbung bis hin zu einer recht eindeutigen Diskriminierung von Frauen fließend. Wer soll beurteilen, was noch OK ist und was schon nicht mehr? Die Initiative Pinksstinks hat hier ein gutes Kriterium aufgestellt, wie man erotische Darstellung, die absolut ok und richtig ist von sexistischer Darstellung unterscheiden kann. Denn natürlich kann niemand befürworten, dass wir auf einmal körperfeindlich und prüde werden oder gar eine nicht korrekte Zensur einfordern. Darum geht es nicht.

Pinkstinks Germany e.V. Credit: Pinkstinks Germany e.V.

Pinkstinks erklärt den Unterschied zwischen sexy Werbeideen und Sexismus recht klar: Wenn es Sinn ergibt, dass jemand auf dem Bild nackt ist, dann darf er das gerne sein. Also bei Unterwäschewerbung zum Beispiel.

Wenn das beworbene Produkt aber so gar nichts mit einer nackten Frau zu tun hat, wenn es um ein Auto geht, um einen Bohrer oder Eiscreme, dann ist es oftmals sexistisch, einfach, weil es nicht notwendig ist und oftmals ein übles Frauenbild rüberbringt. Oder wie möchte man das verargumentieren, wenn sie mit offenem Mund vor einem länglichen Baguette hockt und dazu der Satz: „It’ll blow your mind away“?

Frauen werden hier oft als Objekte dargestellt, als extrem stereotyp, in lasziven Posen, halbnackt und mit offenem Mund. Oder es werden Klischees bedient wie: Er grillt, sie bringt ihm ein Bier und ist allzeit bereit. Oder Frauen sind zu blöd zum Autofahren, Einparken, Denken, Handwerken oder was auch immer. Es geht hier um die Message, die rübergebracht wird.

Und leider werden diese uralten Stereotype immer wieder aufs Neue reproduziert und verbreitet. Ganz ehrlich: Uns fällt doch schon gar nicht mehr auf, wenn eine nackte Frau ein Produkt bewirbt, dass mit Nacktheit so wenig zu tun hat wie ein Polarbär mit Mallorca. Wir haben uns schlichtweg daran gewöhnt. Aber nur weil wir in dieser Hinsicht vielleicht schon etwas abgestumpft sind, so bedeutet das noch lange nicht, dass etwas deshalb gut ist.

-> Viele weitere negative Beispiele und die Möglichkeit, sexistische Werbung zu melden, findet ihr hier auf der Seite von Pinkstinks.

Credit: pinkstinks

Werberat und Selbstkontrolle

In Großbritannien gibt es bereits seit 2018 ein Gesetz, das besagt, dass Werbeanzeigen, die nach dem Prinzip eines Gendermarketings funktionieren, verboten sind. Das Gesetz basiert auf der Studie der Advertising Standards Authority (ASA), die aufzeigen konnte, dass sich die in der Werbung gezeigten stereotypen Geschlechterklischees und die diskriminierende Darstellung von Menschengruppen sehr wohl eine negative Auswirkung auf Kinder und Jugendliche hat.

Auch in Deutschland gibt es den Werberat, der sexistische Werbung beurteilt und abmahnt. Er hat Verhaltensregeln gegen Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen aufgestellt, um zu unterscheiden, was noch OK ist und was nicht mehr. Zu anzüglicher Darstellung bzw. Nacktheit und Erotik in der Werbung steht da zum Beispiel: „Demgegenüber ist allein eine sexuelle Anzüglichkeit nicht automatisch sexistisch. Eine selbstbestimmte Sexualität gehört zu einer freien Gesellschaft. Solange die Werbung Personen nicht herabwürdigt oder diskriminiert, bleibt es nach Ansicht des Werberats den Unternehmen überlassen, wie sie sich in der Öffentlichkeit darstellen wollen.“

Jedes Jahr gehen unzählige Beschwerden beim Werberat ein. Und mit 90 Prozent folgen die meisten Unternehmen, sobald der Werberat eine Rüge ausspricht. Nur wenige Unternehmen würden dem Votum des Werberats nicht folgen, wie Julia Busse, Geschäftsführerin des Werberats im Deutschlandfunk sagte.

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Der schmale Grat zwischen gut gemacht und voll daneben

Nicht jede Ironie, schlüpfrige Doppeldeutigkeit oder erotische Darstellung ist automatisch Sexismus. Schließlich lebt Werbung auch davon, dass sie überraschen will, dass sie die Aufmerksamkeit des Betrachters erregt. Dennoch ist die Kombination aus Frauenfotos und dazu Slogans wie „Zum Vernaschen“ oder „Miet mich“ nicht akzeptabel, weil sie Menschen zu Objekten degradiert.

Meist ist recht klar erkennbar, was gut gemachte Werbung und was mieser Stammtisch-Sexismus ist. Bei der Frage, ob es einen Unterschied ist, ob ein Mann einer Frau ein nettes Kompliment macht oder ob er einen Spruch wie Rainer Brüderle raushaut: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen„, würde ja auch keiner lang überlegen müssen.

Das Ärgerliche ist allerdings: Die Provokation und der Sturm der Entrüstung oder auch Shitstorm spielen den Firmen letztlich nur in die Karten. Denn nicht selten sorgt eine sexistische oder rassistische Werbung für so viel Wirbel im Netz und in den Medien, dass das Produkt und die Werbetreiber natürlich in aller Munde sind und die Klickzahlen in die Höhe schnellen. Und mit Sicherheit ist genau das auch bereits eiskalt miteinkalkuliert.

Lesetipp: Weitere Artikel aus unserer Reihe „Supporting Women“ findet ihr hier in der Übersicht. Ihr erkennt die Artikel am „Supporting Women“-Symbol im Bild.

So könnt ihr euch engagieren:

Deshalb ist es wichtig, genau hinzuschauen und wenn man sich über sexistische Werbung aufregt, auch aktiv zu werden. Möglichkeiten gibt es einige, zum Beispiel die hier:

Pinkstinks (pinkstinks.de)
Die gemeinnützige Organisation wurde 2012 von Stevie Schmiedel gegründet und engagiert sich für nicht-sexistische Werbung. Jährlich wird auch der „Pinke Pudel“ vergeben, mit dem besonders üble Werbung gekürt wird. Zudem gibt es die Möglichkeit, sexistische Werbung zu melden.

Terre des Femmes (www.frauenrechte.de)
Die Organisation will – in Deutschland und anderswo – ein Leben ohne geschlechtsbasierte Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung. Sie setzt sich für Gleichberechtigung ein, für Selbstbestimmung und dafür, dass alle Menschen frei von Rollenzwängen und aller Form von Gewalt leben können.

Unter anderem setzt sich Terre des Femmes gegen Sexismus in der Werbung ein und verleiht den „Zornigen Kaktus“. Der ist ein Negativ-Preis, der an Unternehmen mit besonders frauenfeindlicher Werbung verliehen wird.