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​Slut Shaming oder warum ein kurzer Rock noch lange keine Einladung ist

Credit: unsplash.com / pete-bellis

Keine Macht dem Slut Shaming! Leider ist das Phänomen immer noch extrem in den Köpfen der Menschen. Und wir reproduzieren ist immer weiter.

„Die war aber auch sehr offenherzig angezogen. Und betrunken. Und abends alleine unterwegs. Da muss man sich ja nicht wundern.“ Stammtischparolen wie diese kennen wir alle. Es geht auf gut neudeutsch um „Slut Shaming“.

​Slut Shaming bedeutet, dass Frauen für ihr offenes Verhalten oder ihre freizügige Art sich anzuziehen, angegriffen und verurteilt werden. Man redet ihnen Schamgefühl ein. Und letztlich bedeutet das nichts anderes, als dass das Opfer für das verantwortlich gemacht wird, was ihm widerfährt.​ Sei es Sexismus im Alltag, wie dumme Sprüche und Anzüglichkeiten oder konkrete Vorfälle, wie angefasst und sexuell belästigt zu werden.

Wenn man sich umhört unter Frauen, sind die meisten schon mal in irgendeiner Form sexuell belästigt worden, weil sie alleine unterwegs waren, einen kurzen Rock anhatten, eine enge Jeans, einen tiefen Ausschnitt.

Sie wurden angegrapscht, angepöbelt, als „Schlampen“ bezeichnet und eingeschüchtert. Und alles nur, weil ihre Kleidung oder ihr Auftreten so gedeutet wurde, dass man keinen Respekt und keinen Abstand wahren muss.

Da stellt sich die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Was ist hier wirklich das Problem? Menschen, die bei einem kurzen Rock jede Erziehung und respektvollen Umgang vergessen oder Frauen, die sich kleiden, wie sie wollen. Soviel sollte klar sein: Wenn wir uns demnächst alle in bodenlange Zelte kleiden, wird das Problem auch nicht aus der Welt geschafft.

Letztlich meinte jemand zu mir (eine Frau wohlgemerkt), dass man ja nicht provozieren müsse mit seinem Outfit. Man müsse ja nicht im Sommer unbedingt mit kurzen Shorts auf die Straße. Und man müsse sich ja nicht zu freizügig anziehen, wenn man abends alleine unterwegs ist.

Ich dachte mir: Warum soll ich meine Freiheit einschränken, nur weil andere verquer denken? Es steht niemandem zu, eine Frau zu verurteilen oder sich ihr ungefragt zu nähern, nur weil sie einen kurzen Rock trägt. Besagt ein kurzer Rock, dass man Freiwild ist? Und dennoch merke auch ich: Man schränkt sich dennoch ein, achtet darauf, nicht zu viel zu zeigen, nicht zu offenherzig auszusehen.

In schlechter Gesellschaft

Dass auch Frauen sich gegenseitig „slut shamen“, durfte ich selbst mit zarten 12 erfahren. Ich hatte stolz meinen neuen Jeansminirock in der Schule an. Und womit ich nie gerechnet hätte: Sämtliche Mädchen aus meiner Klasse haben damals hinter meinem Rücken über mich gelästert und gesagt, dass ich aussehen würde wie, Zitat, „eine Schlampe“.

Nur kurz dazu: mit meiner kindlichen Figur sah ich nach allem aus, nur nicht sexy. Gleichwohl sieht man daran, wie schnell sich auch Frauen untereinander sexuell verurteilen, sich als schlampig und leicht zu haben bezeichnen, statt zusammenzuhalten.

Sicherlich ist niemand von uns wirklich frei davon, sich von dem Äußeren einer Person beeinflussen zu lassen. Wir denken gerne in Schubladen. Wenn wir eine eher freizügig gekleidete Person sehen und eine, die sich eher zugeknöpft zeigt, meinen wir zu wissen, dass die eine sexuell locker ist und die andere eher zurückhaltend. Wir ziehen Rückschlüsse, nur weil sich jemand so oder so kleidet.

Hemmungslos verurteilen

In den sozialen Netzwerken funktioniert Slut Shaming übrigens besonders gut. Ist ja so herrlich anonym da, da kann man seine gute Kinderstube leicht hinter sich lassen. In der Vergangenheit wurden hier immer wieder Frauen Opfer, die sich im Netz in den Augen anderer zu freizügig und zu sexuell offen zeigten.

Durch die Anonymität des Netzes und die indirekte Art zu kommunizieren scheinen sich viele Leute nicht mehr zu genieren, über wildfremde Personen zu urteilen, sie zu diskreditieren und zu beschimpfen. Und alles nur, weil manche Frauen sich im Netz auf eine Art und Weise darstellen, die irgendwelchen Moralvorstellungen zuwiderläuft.

Leider existiert eben immer noch die alte Doppelmoral, dass Männer zwar viele Frauen, Frauen jedoch nicht viele Männer gehabt haben dürfen. Das zeigt sich interessanterweise auch in der Sprache in der Anzahl der sexualisierten Schimpfwörter für Frauen und Männer.

Für eine sexuell freie Frau gibt es ungefähr zehnmal so viele Schimpfwörter und Bezeichnungen wie für sexuell freie Männer (Studie der North American English / Stanley). Und die für Männer klingen mitunter noch wie Komplimente: Gigolo, Casanova, Romeo, Don Juan, Frauenheld, Ladykiller, Sugar Daddy. Die Bezeichnungen für Frauen fallen da deutlich weniger charmant aus. Schlampe geht schon mal gar nicht!

Bevor wir also das nächste Mal über das Aussehen einer anderen Person urteilen, sollten wir uns diese Gedanken noch mal ins Gedächtnis rufen. Denn eine Veränderung in der Gesellschaft fängt klein an – bei jedem Einzelnen von uns.