Inhaltsverzeichnis
- Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“
- Trans* Coming-out: Wie du reagieren solltest
- Wie du nicht reagieren solltest
- Transphobische Mikroaggressionen
- Weiterbildung ist DEINE Aufgabe
- Trans* Lives Matter!
Für Menschen, die Teil der LGBT*-Community sind, ist das Coming-out eine der nervenaufreibendsten Erfahrungen überhaupt. Sie wissen nie, wie ihr Gegenüber reagieren wird. Ob ihnen mit Akzeptanz und Liebe oder Missbilligung und Ablehnung begegnet wird.
Je toleranter und offener unsere Gesellschaft wird, desto einfacher wird auch der Coming-out-Prozess. Doch viele Menschen brauchen trotzdem oft Jahre, um sich zu überwinden. Der Moment, in dem sie sich dann outen, ist also wohlüberlegt und ein sehr großer und wichtiger Schritt für sie.
Besonders schwierig kann das Coming-out für eine trans* Person sein – also eine Person, die sich nicht mit ihrem oder seinem zugeschriebenen Geschlecht identifiziert.
Das liegt daran, dass die meisten cisgender Menschen (also Menschen, deren Geschlechtsidentität mit seinem/ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt) Transgeschlechtlichkeit oder Transsexualität noch immer nicht ganz verstehen oder sogar als „fremd“ empfinden.
Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“
Eine trans* Person muss also nicht nur direkte Anfeindung befürchten, sondern auch unsensible Reaktionen und Fragen, die ihre Geschlechtsidentität, mit der sie selbst sicherlich zu kämpfen hatte, infrage stellen. Dieses fehlende Einfühlungsvermögen kann sogar von Freund*innen und Familie kommen, die es eigentlich nur „gut meinen“.
Um falsche und verletzende Reaktionen zu vermeiden, haben wir für euch die „Dos and Don’ts“ in Sachen Coming-out zusammengefasst. Wie ihr reagieren solltet, wenn sich jemand als trans* outet – und wie eben nicht.
Hinweis: Wir benutzen in diesem Artikel den Begriff Trans*. Dies ist ein Sammelbegriff, der Menschen bezeichnet, die sich nicht (oder nicht nur) mit dem Geschlecht identifizieren, was ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Mehr über die Begrifflichkeit erfährst du hier.
Jetzt reinhören: Ricarda Hofmann spricht bei „Echt & Unzensiert“ über ihr Coming-out:
Trans* Coming-out: Wie du reagieren solltest
Gratuliere ihm/ihr!
Das Coming-out ist ein wichtiger Schritt. Für viele trans* Menschen bedeutet es, sich ihrer Identität endlich bewusst zu sein und sie auch nach außen hin leben zu können. Daher ist es wichtig und richtig, dein Gegenüber zu beglückwünschen.
Danke ihm/ihr für sein/ihr Vertrauen.
Dass er/sie diese Information mit dir teilt, ist nicht selbstverständlich und bedarf häufig einer Menge Überwindung und Mut.
Geh auf seine/ihre Bedürfnisse ein.
Du kannst zum Beispiel Fragen stellen wie: Wie kann ich dich unterstützen? Wie möchtest du angesprochen werden? Wie möchtest du, dass ich mit dieser Information gegenüber anderen umgehe?
Frag auch, wie es ihm/ihr geht.
Der Prozess des Coming-out kann eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle sein und damit solltest du feinfühlig umgehen. Ist er/sie nun erleichtert? Nervös? Glücklich? Beängstigt?
Behandele ihn/sie „normal“.
Erinnere dich daran, dass dein Gegenüber noch immer dieselbe Person ist wie vor fünf Minuten. Sprich zukünftig nicht ausschließlich über sein/ihr Coming-out, sondern auch über die Dinge, über die ihr vorher auch gesprochen habt. Das lässt ihn/sie wissen, dass sich deine Gefühle ihm/ihr gegenüber nicht verändert haben.
Wie du nicht reagieren solltest
Spiel die Wichtigkeit nicht herunter.
Natürlich wäre es super, wenn es irgendwann absolut keine große Sache mehr wäre, wenn sich jemand als trans* outet. In dieser perfekten Welt leben wir aber heute noch nicht und daher ist es wichtig, eben NICHT mit Gleichgültigkeit auf das Coming-out einer trans* Person zu reagieren. Wenn du Dinge sagst wie „Mir ist das egal“ oder „Das ist für mich keine große Sache“ kann das für die sich outende Person sehr verletzend sein.
Sei nicht neunmalklug.
Der Satz „Ich wusste das schon längst“ ist erstens nicht hilfreich und zweitens nimmst du der Person damit ihren/seinen Coming-out-Moment. Womit wir auch schon beim nächsten Punkt wären, denn…
…es geht nicht um dich!
Auch, wenn du dich vielleicht verwirrt oder unsicher fühlst, teile das nicht mit der Person. Es geht in dieser Situation um ihn/sie und seine/ihre Bedürfnisse. Deine Gefühle und Gedanken kannst du hinterher mit dir selbst ausmachen.
Stell seine/ihre Identität nicht infrage.
Sätze wie „Bist du dir sicher?“ oder „Bist du nicht noch zu jung?“ beleidigen trans* Personen und ihre Geschlechtsidentität.
Frage nicht nach seiner/ihrer körperlichen Geschlechtsangleichung.
Das geht dich nichts an. Oder möchtest du ohne Vorwarnung über deine Genitalien ausgefragt werden?
Transphobische Mikroaggressionen
Die oben genannten Sätze, die du möglichst vermeiden solltest, kann man auch als transphobische Mikroaggressionen bezeichnen. Als Mikroaggressionen bezeichnet man kurze, alltägliche Äußerungen, die andere Menschen diskriminieren.
Ein paar Beispiele für transphobische Mikroaggressionen sind:
- „Lässt du dich umoperieren?“
- „Was ist dein echter Name?“
- „Hast du Körperteil XY?“
- „Aber letztes Jahr hast du noch gesagt…“
- „Du siehst aus wie eine echte Frau/ein echter Mann.“
- „Das sieht man dir gar nicht an. Du bist so hübsch!“
Sollte die sich outende Person dir die Erlaubnis erteilt haben, mit anderen über sein/ihr Coming-out zu sprechen, dann ist es wichtig, dass du zukünftig darauf achtest, in welcher Art und Weise du mit anderen darüber sprichst.
Sätze wie „Er will eine Frau sein“ oder „Sie war ein Mann“ sind falsch. Sage stattdessen beispielsweise „Sie lebt ihre weibliche Geschlechtsidentität jetzt auch nach außen“ oder einfach nur „Er/Sie ist trans*“. Unkomplizierter geht es doch kaum, oder?
Weiterbildung ist DEINE Aufgabe
„Aber ich weiß nicht, wie ich ihn/sie jetzt ansprechen soll“, klagen Cis-Männer und -Frauen häufig nach dem Coming-out einer trans* Person. Dabei ist die Antwort simpel: Frag einfach nach! Jeder Mensch ist anders und hat eine andere Ansprache, mit der er/sie sich wohlfühlt. Anstatt die Hände in die Luft zu werfen und deine Unwissenheit zu beklagen, frage die Person einfach direkt.
Wichtig ist aber auch, dass du dich anschließend selbst weiterbildest. Erwarte nicht von deinem trans* Freund*in oder Familienmitglied, dass er/sie die Aufgabe übernimmt, dich über alles aufzuklären. Wenn das Thema Trans* für dich neu ist, gibt es jede Menge Ressourcen, die du nutzen kannst, um mehr darüber zu lernen.
Hier sind ein paar hilfreiche Bücher zum Thema Trans*:
- „Transgender History„* von Susan Stryker
- „Blaue Augen bleiben blau: Mein Leben„* von Balian Buschbaum
- „Becoming A Visible Man„* von Jamison Green
- „Endlich Ben„* von Benjamin Melzer
- „Anne wird Tom – Klaus wird Lara„* von Udo Rauchfleisch
Das sind informative Serien und Filme zum Thema Trans*:
- This Is Me* (fünfteilige Doku-Serie)
- Tomboy* (Film, 2011)
- Orange Is the New Black (Netflix-Serie)
- Mein Leben in Rosarot (Film, 1997)
- We’ve Been Around (sechsteilige Doku-Serie)
Mehr Infos und Materialien gibt es außerdem bei Trans* Organisationen wie TransInterQueer, Transgender Europe (TGEU) oder der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti).
Trans* Lives Matter!
Ich hoffe, dass wir irgendwann in einer Zeit leben, in der sich eine Person outen kann, ohne dass es als heißer Gossip oder „Schock“ angesehen wird. Dann müssen trans* Menschen nicht mehr in Angst davor leben, dass sie durch ihr Coming-out Freund*innen oder Familie verlieren oder dass ihre Identität sogar eine Gefahr für sie darstellen könnte.
Bis es so weit ist, ist es unsere Aufgabe, unsere trans* Freund*innen und Familienmitglieder zu unterstützen und ihnen zu zeigen, dass sie immer jemanden haben, der hinter ihnen steht.