Inhaltsverzeichnis
- Was versteht man unter sexualisierter Gewalt?
- 1. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland weiter verbreitet als viele denken
- 2. Meist kennen sich Opfer und Täter
- 3. Sexuelle Gewalt in der Kindheit erhöht die Wahrscheinlichkeit, wieder Opfer zu werden
- 4. Eine hohe Anzahl sexueller Belästigungen bedeutet meist auch eine hohe Anzahl an Vergewaltigungen
- 5. Es gibt kein klares Muster bei Opfern von sexualisierter Gewalt
- Sexualisierte Gewalt: Hier finden Betroffene Hilfe
Gewalt hat viele Formen – die sexualisierte ist eine davon und bedarf besonderer Aufklärung. Denn sexualisierte Gewalt umfasst nicht nur sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung. Sie äußert sich auch in Form von sexuellen Anspielungen, obszönen Gesten und aufdringlichen, unangenehmen Berührungen.
Vorkommen kann sexuelle Gewalt überall: In der Öffentlichkeit, in der Schule oder am Arbeitsplatz, im Internet, in Vereinen und sozialen Einrichtungen. In den meisten Fällen ist den Betroffenen der Täter bekannt.
Vorab im Video: Digitale Gewalt im Netz
Was versteht man unter sexualisierter Gewalt?
Sexualisierte Gewalt beschreibt jegliche Form von Gewalt, die sich in sexuellen Übergriffen ausdrückt. Oft findet sie in Abhängigkeitsverhältnissen statt, weshalb Mädchen und Frauen mit Beeinträchtigung oder Behinderung zu den besonders gefährdeten Personengruppen gehören – insbesondere dann, wenn sie in betreuten Einrichtungen leben und auf die Hilfe anderer angewiesen sind.
Vergewaltigung ist nur eine Form. Sexualisierte Gewalt äußert sich aber durch sexuelle Belästigung. Das deutsche Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben listet hierzu folgende Beispiele auf:
- sexuelle Anspielungen, obszöne Worte oder Gesten
- aufdringliche und unangenehme Blicke
- Briefe oder elektronische Nachrichten mit sexuellem Inhalt
- unerwünschtes Zeigen oder Zusenden von Bildern oder Videos mit pornografischem Inhalt
- sexualisierte Berührungen
Auch interessant: Sexuelle Belästigung im Netz: Über „antiflirting2“ und wie ihr euch wehrt
Auch in unserer Gesellschaft ist sexualisierte Gewalt weit verbreitet. Die 5 wichtigsten Erkenntnisse aus aktuellen Studien und Umfragen haben wir hier für euch zusammengefasst.
1. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland weiter verbreitet als viele denken
In Deutschland kommt es jährlich zu etwa 12.000 bis 13.000 Anzeigen wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung. Hinzu kommt eine nicht unerhebliche Dunkelziffer, denn nur 5 bis 15 Prozent der Betroffenen zeigen die Taten an. Laut repräsentativen Umfragen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erleben zwei von drei Frauen in ihrem Leben sexuelle Belästigung. Jede siebte Frau wird Opfer schwerer, sexualisierter Gewalt.
In Europa hat laut einer EU-Studie aus dem Jahr 2014 jede dritte Frau als Erwachsene körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren.
2. Meist kennen sich Opfer und Täter
Ein häufiger Irrglaube ist, dass man sich als Frau vor allem vor fremden Tätern schützen muss. Die Statistik zeigt jedoch, dass viele betroffene Frauen von sexualisierter Gewalt den Täter bereits kannten.
Auch in der EU-Studie von 2014 sagten 77 Prozent der Frauen aus, der Täter sei ihnen bekannt gewesen. Nicht selten handelt es sich sogar um den eigenen Partner. So waren im Jahr 2018 mehr als 114.000 weibliche Opfer von Partnerschaftsgewalt in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst.
3. Sexuelle Gewalt in der Kindheit erhöht die Wahrscheinlichkeit, wieder Opfer zu werden
Frauen, die bereits in ihrer Kindheit sexuelle Gewalt erlebt haben, haben im Erwachsenenalter oft Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen. Sie fühlen sich häufig in ihrer Partnerwahl eingeschränkt und befürchten, niemanden lange bei sich halten zu können. Täter scheinen sich diese Frauen geradezu auszusuchen. Etwa ein Drittel der Frauen, die als Erwachsene in einer Beziehung Opfer sexueller Gewalt werden, haben auch schon als Kind sexuelle Gewalt erfahren.
4. Eine hohe Anzahl sexueller Belästigungen bedeutet meist auch eine hohe Anzahl an Vergewaltigungen
EU-Untersuchungen haben ergeben, dass in einer Gesellschaft mit vielen Fällen sexueller Belästigung auch die Anzahl der Vergewaltigungen hoch ist. Wenn in einer Gesellschaft sexuelle Anspielungen, Beleidigungen oder obszöne Gesten also toleriert werden, kommt es wahrscheinlich eher zu sexualisierter Gewalt.
Jede zweite Frau wurde schon mindestens einmal in ihrem Leben sexuell belästigt. Eine Beschäftigtenumfrage zum Thema „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ hat zudem ergeben, dass 17 Prozent der befragten Frauen nach eigener Einschätzung bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt haben. 22 Prozent der Frauen gaben zudem an, unangemessene Fragen mit sexuellem Bezug zu ihrem Aussehen oder Privatleben gestellt bekommen zu haben. Häufig scheinen Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt zu werden, beispielsweise bei Frauen mit wenig beruflicher Qualifikation oder bei Angestellten, die sich noch in der Probezeit befinden.
Lesetipp: Sexuelle Belästigung im Job: So solltest du dich verhalten
5. Es gibt kein klares Muster bei Opfern von sexualisierter Gewalt
Sexuelle Gewalt kann jede Frau treffen – unabhängig von Alter oder Bildung. Zwar sinkt die Gefahr mit dem Alter, aber nur wenig. Zahlen belegen lediglich, dass Frauen mit einem höheren Bildungsgrad häufiger angeben, sexuelle Gewalt zu erleben. Dies könnte damit zu begründen sein, dass Frauen mit einer höheren Bildung sensibilisierter sind und eher dazu neigen, Geschehenes zu reflektieren und darüber sprechen.
Sexualisierte Gewalt: Hier finden Betroffene Hilfe
Betroffene von sexualisierter Gewalt können Strafanzeige bei der Polizei erstatten. Bei sexueller Nötigung, Vergewaltigung sowie den meisten anderen Sexualdelikten handelt es sich um Offizialdelikte. Die Polizei muss ermitteln, sobald sie von dem Vorfall erfährt.
Betroffene, Angehörige und Zeugen können sich auch anonym und kostenlos über das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Rufnummer 08000-116016 beraten lassen. Auch die Frauenberatungsstellen und die Frauennotrufe helfen Betroffenen und ihrem Umfeld weiter. Frauenhäuser bieten Frauen Schutz vor weiterer Gewalt.
Quellen:
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz betrifft vor allem Frauen (2019)
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Formen der Gewalt erkennen (2021)
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Gewalt gegen Frauen: Zahlen weiterhin hoch (2019)
Statista: Gewalt gegen Frauen (2022)
Terre des Femmes: Sexualisierte Gewalt in Deutschland