Inhaltsverzeichnis
- Wo befindet sich das Hymen?
- Hat das „Jungfernhäutchen“ eine Funktion?
- Was ist dran an der These, dass das Hymen „reißt“?
- Warum der Begriff „Jungfernhäutchen“ ersetzt gehört
- Tut es beim ersten Mal Sex weh?
- Ist es möglich, ein „gerissenes“ Hymen wieder herzustellen?
- Noch mal Klartext
- Quellen & Infos
Das „Jungfernhäutchen“ ist eine dehnbare, elastische Hautfalte, die den Scheideneingang umgibt, aber nicht komplett verschließt. Vielmehr muss man es sich wie eine Art elastischen Saum vorstellen, der die Vaginalöffnung umrandet. Der fachliche Begriff ist Hymen, was so viel wie Haut oder Membran bedeutet.
Dass es hier keinen kompletten Verschluss gibt, wie es sich viele Menschen vorstellen, ist auch deshalb logisch, weil nur so Sekrete und bei der Periode Menstruationsblut aus der Vagina austreten können.
Nur in sehr seltenen Fällen kommt es vor, dass das Häutchen den Eingang zur Vagina komplett verschließt. In dem Fall – Mediziner nennen das Hymenalatresie – muss das Hymen künstlich von einem Frauenarzt bzw. einer Frauenärztin geöffnet werden.
Form, Dicke und Größe des Hymens können stark variieren – das „Jungfernhäutchen“ sieht von Frau zu Frau unterschiedlich aus. Zudem ist es sehr dehnbar und elastisch. Deshalb ist es auch ein Irrglaube, dass das Häutchen beim Einführen eines Tampons oder beim Sport reißen oder verletzt werden könnte.
Wo befindet sich das Hymen?
Das „Jungfernhäutchen“ ist eine Art Schleimhautkranz, der am Scheideneingang liegt und die Scheidenhöhle vom äußeren Schambereich trennt. Genauer gesagt liegt das Hymen ein bis zwei Zentimeter tief in der Vagina. Es ist in der Regel offen und somit kein Verschluss oder was auch immer.
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Hat das „Jungfernhäutchen“ eine Funktion?
Es gibt Wissenschaftler, die sagen, dass das Häutchen bis zur Pubertät als Schutz dient, damit Krankheitserreger nicht ungehindert in die Scheide eindringen können.
Im Zuge der Pubertät und der damit verbundenen Hormonumstellung würden sich jedoch Milchsäurebakterien bilden, die als biologischer Schutz der Vagina dienen würden. Somit würde das „Jungfernhäutchen“ dann nutzlos werden. Konkrete Beweise für die These gibt es jedoch nicht. Zumal das Hymen die Vagina nicht verschließt.
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Was ist dran an der These, dass das Hymen „reißt“?
Gerade viele junge Mädchen fragen sich, ob das „Jungfernhäutchen“ irgendwann reißt, etwa wenn ein Tampon eingeführt wird. Diese Sorge ist meist unberechtigt, denn die Öffnung im „Jungfernhäutchen“ ist groß genug, um das Einführen eines Tampons oder eines Fingers zu ermöglichen, ohne die Membran zu verletzen.
Trotzdem kann es vorkommen, dass das „Jungfernhäutchen“ unbemerkt seitlich einreißt. Dies ist allerdings äußerst selten, da das Häutchen weich und dehnbar ist.
Letztlich bleibt der vaginale Schleimhautkranz, das Hymen, ein Leben lang bestehen. Er verschwindet nicht, sondern verändert sich nur im Laufe des Lebens, beispielsweise wenn man ein Kind bekommen hat oder mit dem Älterwerden.
Dass man ein „Jungfernhäutchen“ hat, das die Vagina bis zum ersten Sex komplett verschließt, das dann einreißt, blutet und verschwunden ist, ist also ein Mythos, der sich leider immer noch in den Köpfen hält.
Und wenn wir gerade mit Mythen aufräumen: Ein Junge kann beim penetrativen Sex mit einem Mädchen nicht spüren, ob das Häutchen noch da ist oder nicht. Zudem ist die Ansicht, dass ein Mädchen nur dann noch keinen Sex hatte, wenn es beim ersten Mal blutet, ein Irrglaube.
Das kann passieren, muss aber nicht. Und diese Tatsache ist leider schuld daran, dass viele junge Frauen stark unter Druck gesetzt werden. Vor allem in Familien, wo Frauen jungfräulich in die Ehe gehen sollen, entsteht so viel Leid.
Terres de Femmes schreibt dazu: „Der Mythos vom Jungfernhäutchen wird immer wieder dazu genutzt, Frauen in ihrer Lebensführung zu begrenzen und ihnen ihre sexuelle Selbstbestimmung zu verweigern. In streng traditionell patriarchal denkenden Familien wird die Ehre der Familie mit der Jungfräulichkeit ihrer Töchter in Zusammenhang gebracht. Dass die Jungfräulichkeit anhand des Jungfernhäutchens medizinisch fast nicht nachweisbar ist, wissen wenige.“
Übrigens kann auch eure Gynäkologin oder euer Gynäkologe nicht sagen, ob euer Hymen evtl. durch penetrativen Sex eingerissen ist oder nicht. Denn er bzw. sie kann ja nicht wissen, wie der ursprüngliche Zustand des Hymens aussah.
Warum der Begriff „Jungfernhäutchen“ ersetzt gehört
Der Begriff „Jungfernhäutchen“ ist auch nicht wirklich erfreulich. Ebenso wie bei dem Begriff „seine Unschuld verlieren“ oder „Unbeflecktheit“ schwingt hier eine moralische Keule mit, die keine Rechtfertigung hat. Warum stoßen sich Jungs die Hörner ab und Mädchen „beflecken sich“ und werden „schuldig“, wenn sie das erste Mal Sex haben?
Die Schweden waren hier vorbildlich und haben den Terminus kurzerhand durch einen neuen ersetzt: „Corona vaginalis“. Denn Sprache bestimmt unser Denken bekanntlich mehr, als uns bewusst ist. Und so hat die „Schwedische Vereinigung für aufgeklärte Sexualerziehung“ (RFSU) den ideologiebeladenen Begriff des „Jungfernhäutchens“, der eben das Wort „Jungfer“ beinhaltet, durch den Begriff „vaginale Korona“ ersetzt.
Korona bedeutet übrigens Kranz oder Krone und bezieht sich auf die rüschenartigen Schleimhautfalten des Hymens.
Gut zu wissen: In der Online-Version des Duden stand bis 2019, dass das Hymen ein dünnes Häutchen sei, das beim ersten Geschlechtsverkehr zerreiße. Kein Wunder also, dass sich dieser Irrglaube noch immer hält.
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Tut es beim ersten Mal Sex weh?
Das ist so pro forma nicht zu sagen. Denn: Was genau ist Sex? Für viele Menschen sicherlich die vaginale Penetration via Penis. Aber diese Sicht setzt Heteronormativität voraus, also die Vorstellung, dass Sex immer zwischen einem Mann und einer Frau stattfindet und dass Sex ohne Penetration kein Sex ist.
Somit umfasst diese Denkweise nur einen Teil der Menschen und ihre Sexualität und schließt viele andere aus. Und sie schließt auch viele sexuelle Spielarten aus, die eben nicht zwangsläufig mit Penetration zu tun haben.
Gehen wir aber jetzt mal davon aus, dass ein Junge mit einem Mädchen penetrativen Sex hat, so kann man sagen: Ob es beim ersten Geschlechtsverkehr für das Mädchen schmerzhaft ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Natürlich auch von der Zärtlichkeit des Partners.
Ein mögliches Szenario: Das „Jungfernhäutchen“ reißt beim ersten Geschlechtsverkehr durch das Eindringen des Partners ein. Das löst eine leichte Blutung aus. Ein ebenso verbreitetes Szenario ist aber auch Folgendes: Es blutet überhaupt nicht. Fakt ist nämlich: Laut profamilia bluten nur weniger als 50 Prozent der Frauen beim ersten Geschlechtsverkehr.
Das unangenehme Gefühl oder die empfundenen Schmerzen beim ersten Geschlechtsverkehr entstehen meist nicht vorrangig durch das Hymen, sondern eher durch einen unsensiblen Partner, durch eine verkrampfte Scheidenmuskulatur oder die Reibung der zu trockenen Schleimhäute.
Um den Intimbereich beim ersten Mal ausreichend zu befeuchten, verwendet man im letzten Fall einfach ein Gleitmittel auf Wasserbasis oder – noch besser als das – ein entsprechendes Vorspiel, das auf die Bedürfnisse der Frau eingeht, so dass sie auch erregt wird.
Die wenigsten Frauen werden beim Anblick eines nackten Mannes erregt und durch Penetration allein kommen ebenfalls die wenigsten Frauen in Wallung. Hier bedarf es etwas mehr Eingehen auf den weiblichen Körper und seine Fähigkeiten – die, by the way – denen eines Penis in keinster Weise unterlegen sind.
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Ist es möglich, ein „gerissenes“ Hymen wieder herzustellen?
Ja, dieser Eingriff heißt Hymenrekonstruktion. Manche junge Frauen, die bereits sexuelle Kontakte hatten, lassen das „Jungfernhäutchen“ vor der Hochzeit wieder operativ verschließen – meist auf gesellschaftlichen Druck hin.
Aus Sicht der Frauenärzt*innen ergibt das jedoch wenig Sinn. Zum einen, weil es Mädchen gibt, die gar kein „Jungfernhäutchen“ haben. Zudem blutet es wie gesagt nicht bei jeder Frau, wenn das Häutchen reißt. Es macht also gar keinen Sinn, ein Hymen nur als Beweis für eine Jungfräulichkeit wieder herzustellen.
Terres de Femmes schreibt dazu: „Durch den großen sozialen Druck, der so ausgeübt wird, steigt die Nachfrage nach sogenannten Rekonstruktions-Operationen, bei denen das Jungfernhäutchen ‚wiederhergestellt‘ werden soll. Diese Operationen sind nicht nur riskant und teuer, sie garantieren auch keine Blutung in der Hochzeitsnacht.“
Und es gibt noch einen weit wichtigeren Grund, auf derartige Eingriffe zu verzichten. Denn diese Operationen dienen vor allem dazu, den Mythos um die Jungfräulichkeit weiter am Leben erhalten. Sehr zum Schaden von jungen Frauen.
Letztlich ist der Begriff der Jungfräulichkeit ein soziales, kulturelles und religiöses Konstrukt, das von der geschlechtsspezifischen Diskriminierung von Mädchen und Frauen in der Gesellschaft zeugt.
Was wäre in unserer Gesellschaft los, wenn wir nicht mehr daran glauben würden? In erster Linie würde es bedeuten, dass für die Vagina dieselbe Freiheit gelten würde wie für den Penis.
Oliwia Hälterlein, freie Kulturwissenschaftlerin
Das feministische Portal Edition F schreibt dazu: „Jungfräulichkeit und „sexuelle Reinheit“ haben in patriarchal geprägten Kulturen und Religionen einen hohen Stellenwert. Geschlechtsspezifische Diskriminierung insbesondere von Frauen und Mädchen sind das Resultat. (…) Die Bedeutung von „Jungfräulichkeit“ und die damit verbundenen Erwartungen haben sich über Jahrhunderte in Kulturen und Religionen verfestigt und beeinflussen bis heute das Verständnis von Frauen und ihrer Sexualität.“
Noch mal Klartext
Es ist nicht zwingend nachweisbar, dass eine Frau Jungfrau ist oder nicht. Ist das Jungfernhäutchen unbeschädigt, ist das weder ein Beweise für eine Jungfräulichkeit, noch ist ein beschädigtes Häutchen ein Beweis dafür, dass das Mädchen bereits Sex hatte. Und wenn sich das endlich herumsprechen würde, gäbe es weit weniger Leid von jungen Frauen und Mädchen auf der Welt.
Frauen sind keine Ware, die an Wert verliert, sobald man die Verpackung aufmacht bzw. sie „entjungfert“ (eine sehr unschöne Bezeichnung übrigens, weil sie komplett passiv klingt).
Das Hymen ist kein Siegel. Es macht uns nicht wertvoller oder weniger wertvoll. Und jede Frau sollte ein Recht darauf haben, ihre Sexualität zu entdecken und zu leben. Und sie sollte sich dafür nicht rechtfertigen müssen.
Quellen & Infos
-> Infoseite von Terres de Femmes: Jungfräulichkeit – ein lebensgefährlicher Mythos
-> Ausführliche Infos über das Hymen findet ihr auch auf unserem Schwesterportal, dem Gesundheitsportal onmeda.de
-> Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA): Hier findet ihr Informationsmaterialien für Kinder, Jugendliche, Eltern und Multiplikator*innen zum Thema Sexualaufklärung.
-> Das Jungfernhäutchen – Falsche Vorstellungen und Fakten
Hier findet ihr eine Broschüre speziell für junge Mädchen von Terre des femmes – Menschenrechte für die Frau e.V.
-> loveline.de
Die Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) richtet sich speziell an Jugendliche und behandelt alles rund um Beziehung, Sexualität und Verhütung.
Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich der Information. Bei Beschwerden, Schmerzen oder weiteren Fragen bitte den behandelnden Arzt oder Ärztin konsultieren oder ihr wendet euch mit euren Fragen vertrauensvoll an eure Gynäkologin oder euren Gynäkologen.