Inhaltsverzeichnis
- Sexuelle Belästigung: Das sagt das Gesetz
- Wie wird sexuelle Belästigung definiert?
- Auch das ist sexuelle Belästigung
- Wie kann ich mich wehren?
- So kannst du auf sexuelle Belästigung reagieren:
Die Grenze, wo eine Anmache aufhört und sexuelle Belästigung anfängt, ist für viele von uns nicht klar abgesteckt. Gerade wenn Alkohol im Spiel ist, lächeln wir Frauen viel zu häufig über den ein oder anderen männlichen Fehltritt hinweg, der so eigentlich absolut nicht OK ist.
Dabei muss man ganz klar sagen: Selbst an Festen wie Karneval oder beim Feiern im Club ist es nicht in Ordnung, wenn einem jemand einen Klaps auf den Po gibt oder eine anzüglich bis obszöne Bemerkung macht.
Passiert uns Frauen so etwas, sind wir oft geneigt, darüber hinwegzusehen. Weil uns die Situation schon unangenehm genug ist. Oder weil wir zum Verursacher (oder sagen wir besser zum Täter) am liebsten keinen (weiteren) Kontakt aufnehmen wollen. Aber glücklich sind wir damit nicht.
Und die Frage ist auch: Ist es nicht kontraproduktiv, das einfach so hinzunehmen? Letztlich fühlen wir uns doppelt schlecht.
Wir erklären euch deshalb in diesem Artikel, wo genau sexuelle Belästigung anfängt. Und wir sagen euch, wie ihr im Zweifelsfall am besten reagiert, sei es im Job oder im alltäglichen Leben.
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Sexuelle Belästigung: Das sagt das Gesetz
Sexuelle Belästigung ist strafbar. Das belegt der Paragraph 184i des Strafgesetzbuches (StGB), der im genauen Wortlaut Folgendes besagt:
(1) Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
Jedoch wird die Straftat nur auf Antrag verfolgt. Das bedeutet, dass die betroffene Person, die belästigt wurde, das Ganze selbst anzeigen muss, damit es strafrechtlich verfolgt wird. Sonst geschieht nichts. Sie muss also über den Vorfall berichten, was nicht immer angenehm ist, und im Zweifelsfall, wenn es keine Zeugen oder körperlichen Spuren des Übergriffs gibt, steht Aussage gegen Aussage. Das kann das Opfer im ersten Moment überfordern und dazu bringen, von einer Anzeige abzusehen.
Wie wird sexuelle Belästigung definiert?
Die genaue Definition, was sexuelle Belästigung ist, kann man §3 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) entnehmen:
„Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung (…), wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“
Laut Antidiskriminierungsstelle sind folgende Dinge auf jeden Fall verboten:
- unerwünschte sexuelle Handlungen, wie bedrängende körperliche Nähe
- die Aufforderung zu unerwünschten sexuellen Handlungen, z. B. „Setz dich auf meinen Schoß!“
- sexuell bestimmte körperliche Berührungen, dazu zählen (scheinbar zufällige) Berührungen von Brust oder Po oder unerwünschte Nackenmassagen,
- das unerwünschte Zeigen oder Zusenden von Bildern oder Videos mit pornografischem Inhalt
- Einschüchterung, Anfeindung
- Exhibitionismus, unsittliches Entblößen
- die Androhung von sexueller Gewalt
- sexuelle Nötigung, körperliche Gewalthandlungen, Vergewaltigung
Auch das ist sexuelle Belästigung
Aber: sexuelle Belästigung fängt weit früher an, als die oben beschriebenen Fälle. Auch das hier ist bereits eine Belästigung, die ihr so nicht hinnehmen müsst / solltet:
- Anzügliche Bemerkungen über ein Dekolleté, einen kurzen Rock, über den „Knackarsch“ etc.
- Fragen mit sexuellem Inhalt (z.B. über sexuelle Vorlieben, intime Dinge, wie Intimrasur oder Intimpiercings.)
- Bemerkungen sexuellen Inhalts, wie zum Beispiel obszöne Witze oder sexuelle Anspielungen,
- aufdringliche, unangenehme Blicke, Hinterherpfeifen
- unangebrachte Kosenamen (z.B. „Schätzchen“, „Süße“ etc.)
- unangemessene Einladung (z.B. „Lassen Sie uns das doch mal nach Feierabend bei mir besprechen…“)
- anzügliche, obszöne Worte und Gesten
- Beleidigungen, wie „Schlampe“ etc.
Gerade in Abhängigkeitsverhältnissen wie im Job kommt es häufig zu sexuellen Belästigungen. Aus Angst, den Job zu verlieren, schweigen viele. Laut Umfragen wurden bereits mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland schon einmal Zeuge oder Opfer sexueller Belästigung.
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Wie kann ich mich wehren?
Die meisten Täter sind sich sehr wohl bewusst, dass sie eine Grenze überschritten haben. Sexuelle Belästigung ist auch immer ein Machtspiel. Das wird auch dein Gegenüber wissen. „Jetzt entspann dich mal“ oder „Das war ein Kompliment“ sollten dich deshalb nicht einlullen oder verunsichern. Wenn du eine Belästigung als solche empfunden hast, dann vertrau auf deine Wahrnehmung.
Viele Frauen neigen auch dazu, die Schuld bei sich zu suchen, sei es, weil sie figurbetont gekleidet waren oder denken, dem Gegenüber vielleicht die falschen Signale gesendet zu haben. Das alles sollte man lassen. Sonst macht man sich zum Täter, wo man doch das Opfer ist. Selbst wenn du deinem Gegenüber gewisse Signale des Interesses gesendet hättest, dann wäre das noch kein Grund für ihn, deine Grenzen zu überschreiten.
Das Problem: In der Regel ist einem die ganze Situation als Opfer extrem unangenehm und man möchte eigentlich nur weg, raus aus der Situation.
Nehmen wir den Fall, dass einem ein Kollege körperlich zu nah kommt, also einem zum Beispiel an die Brust fasst. Die erste Reaktion ist sicher: Weg hier und schnell vergessen. Manche Frauen überlegen sogar, ob sie sich das Ganze nur eingebildet haben und die Berührung rein zufällig war. Aber das ist falsch.
Man sollte wirklich seinen Mut zusammen nehmen und den Kollegen offen darauf ansprechen. „Sie haben mich gerade angefasst. Ich möchte das nicht. Bitte unterlassen Sie das!“ Sonst wird sich an der Situation nichts ändern und man wird ab jetzt mit Bauchschmerzen zur Arbeit gehen.
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So kannst du auf sexuelle Belästigung reagieren:
Bei Belästigungen im öffentlichen Raum:
- Körperlich (wenn möglich) und verbal auf Distanz gehen und den Täter darauf ansprechen: „Hören Sie auf damit. Ich möchte das nicht!“
- Oder man wird ganz konkret und erklärt, wie das Ganze bei einem ankam: „Ich fühle mich von Ihnen sexuell belästigt. Unterlassen Sie das!“
- Sanktionen klarmachen: „Ich werde das nicht weiter hinnehmen. Wenn Sie das nicht lassen, werde ich das melden.“
- Wer sich nicht alleine gegen seinen Widersacher anzugehen traut, sollte sich Hilfe suchen. Zunächst, indem man Öffentlichkeit herstellt, also indem man lauter spricht, damit Umstehende aufmerksam werden auf die Situation. Oder man spricht aktiv jemanden in seiner Nähe an, ob er helfen kann.
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Bei Belästigungen im Job:
- Belästigt einen ein Kollege oder Vorgesetzter, sollte man auch klar die Grenzen aufzeigen und ihn darauf ansprechen.
- Wiederholen sich die Belästigungen, sollte man sich ein Gedächtnisprotokoll erstellen und alle Fälle notieren, mit Ort und Zeit. So kann der Täter nicht behaupten, man bilde sich das alles nur ein.
- Grundsätzlich sollte man sich auf keine langen Diskussionen einlassen, sondern, wenn möglich, die Situation beenden, also z.B. den Raum verlassen oder sich an andere Personen wenden.
- Bei Belästigungen am Arbeitsplatz kann man zudem seinen Vorgesetzten, den Betriebs- oder Personalrat um Hilfe bitten. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen.
Wie man bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz reagieren sollte und an wen man sich wenden kann, erfahrt ihr auch auf der Seite der Antidiskriminierungsstelle. Hier könnte ihr auch die wichtigsten Fakten als pdf downloaden.
Zudem gibt es unter der Nummer 08000 116 016 das Hilfe-Telefon für Frauen vom Bundesministerium für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Hier können sich sowohl Opfer als auch Angehörige, Freunde, Kollegen Rat holen.