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Erziehung: Warum Petzen ein Hilferuf sein kann und wie Eltern reagieren sollten

Junge, ca. 10 Jahre, schaut direkt in die Kamera und steht in einem Park mit dem Rücken zu seinen Klassenkamerad*innen.
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Für uns ist Petzen negativ behaftet. Was sich wirklich dahinter verbirgt, wenn Kinder andere verraten!

Kinder verpetzen Geschwister und manchmal sogar Freunde. Warum sie das tun und wie man am besten darauf reagiert, lest ihr bei uns.

Beim Begriff Petzen denken die meisten von uns an etwas Negatives. Es schwingt immer etwas von Verrat mit, vielleicht sogar ein Vertrauensbruch. Denn ein Kind, das petzt, stellt sich selbst in einem guten Licht dar. Ein anderes Kind aber wird schlecht dargestellt.

Genau genommen ist Petzen aber gar nicht negativ. Zumindest, wenn man sich anschaut, was eigentlich dahinter steckt. Denn es zeigt, dass ein Kind gewisse Regeln und Grenzen kennt und verstanden hat. Es kennt und versteht sie so gut, dass es erkennt, wenn andere sie missachten oder willentlich überschreiten.

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Petzen dient der Anerkennung

Beim Petzen geht es also irgendwie auch um Anerkennung – meist um die eines Erwachsenen. Aber es geht auch um Aufmerksamkeit, Hilfe und das eigene Selbstbewusstsein. Das petzende Kind sucht nach Bestätigung und ‚opfert‘ mehr oder weniger wissentlich ein anderes Kind dafür.

Zugegeben, das klingt erst einmal nicht positiv. Und doch ist Petzen nicht immer schlecht. Wie man positives und negatives Petzen unterscheidet und wie Eltern bzw. Erwachsene reagieren sollten, wenn ein Kind (aus den falschen Beweggründen) petzt, wollen wir erklären.

Petzen ist eine Frage des Alters

Kindergartenkinder petzen, um ihre Grenzen zu hinterfragen und auszutesten. Sie wollen wissen, ob gewisse Regeln noch (für sie) gelten. Denn anhand derer orientieren sie sich. Sie wollen einfach wissen, ob gewisse Dinge in Ordnung sind oder eben nicht. Dass sie andere durch ihr ‚Verpetzen‘ in Schwierigkeiten bringen können, ist ihnen in diesem Alter gar nicht wirklich bewusst.

Erst später, wenn Kinder etwa in der Grundschule sind, werden sie sich ihrer ‚Stellung‘ in der Klasse oder Gemeinschaft bewusst. Verpfeift ein Kind immer wieder andere, kann man ihm unterstellen, dass er oder sie Anerkennung sucht und sich diese von der Lehrkraft bzw. einer Aufsichtsperson verspricht.

Einem Kind von sieben, acht oder neun Jahren ist bereits durchaus bewusst, dass sein Ankreiden zu einem Problem oder einer Bestrafung eines anderen Kindes führen kann.

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Bei älteren Kindern oder gar Erwachsenen, die andere ‚anschwärzen‘ ist ein noch größeres Kalkül zu vermuten. Sie verpfeifen jemanden, um ihn oder sie ganz bewusst in ein schlechtes Licht zu rücken. Nicht einmal, um selbst Anerkennung zu erhalten, sondern oft nur, um der anderen Person zu schaden.

Wie sollte man auf Petzen reagieren?

Petzen, mit der Absicht andere bloßzustellen, erstickt man am besten im Keim. Das soll heißen, man verdeutlicht dem Kind von Anfang an, dass man das gar nicht gut findet. Nicht etwa, dass sich das Kind an einen wendet, das soll es immer tun können. Wohl aber, dass es andere ‚ankreidet‘ und sich ein Einschreiten des Erwachsenen erhofft.

Das Einschreiten in einer klassischen Petz-Situation ist auch das, was Eltern und Erwachsene unterlassen sollten, wenn es um ein reines Ärgernis geht. Kommt also ein Geschwisterkind zum Papa und sagt, dass der Bruder ihm das rote Auto nicht wiedergeben will, dann ist das genau so eine Situation.

Das Kind erhofft sich, dass Papa einschreitet, und ihm das rote Auto zurück-organisiert. Das würde aber bedeuten, dass Papa sich auf die Seite des einen oder anderen Kindes schlagen müsste. Besser ist es deshalb, dem Kind klarzumachen, dass man versteht, warum es sich ärgert, dass es aber besser ist, wenn es die Situation alleine klärt. Je nach Alter des Kindes kann man ihm Optionen zur Lösung des Problems vorschlagen.

Anders sieht es aus, wenn das Kind zu einem kommt und beispielsweise sagt, dass der Bruder versucht, das Kinderzimmerfenster aufzumachen. Hier liegt eine klare Gefahrensituation vor (sofern sich die Aussage als Wahrheit erweist). In dem Fall hat das Kind, das seinen Bruder ‚verpetzt‘ hat, absolut nichts falsch gemacht, sich an die Eltern zu wenden und ihre Hilfe zu erbitten.

Eltern sollten Absicht erkennen

Petzen ist per se also nichts Schlimmes, sondern dient dem Kind dazu, Grenzen und Regeln zu erkennen und diese durchzusetzen. Handelt ein anderer Mensch entgegen dieser Grenzen und Regeln, fühlen sich Kinder ungerecht behandelt und wollen ihr Recht wieder herstellen. Sie geben also weiter, was jemand anderes falsch gemacht hat.

Im Prinzip wollen Kinder so für Recht und Ordnung in einer Gruppe sorgen. Nur, dass sie sich selbst nicht in der Lage sehen, diese Ordnung herzustellen. Sie holen sich deshalb Hilfe, meist eines Erwachsenen. Statt das Petzen zu verteufeln, sollten wir Kindern beibringen, wie sie Konfliktsituationen eigenständig lösen können.

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Sie müssen zudem aber wissen, dass es okay ist, auf gefährliche Konfliktsituationen hinzuweisen, wie im Beispiel des geöffneten Kinderzimmerfensters. Die Absicht des Petzens ist also entscheidend für die Reaktion von Eltern und anderen Erwachsenen.