„Frauen verhandeln schlechter als Männer, daher verdienen sie auch weniger“ – Sätze wie diese kennen wohl die meisten. Mangelndes Verhandlungsgeschick wird nur allzu gern als Grund vorgeschoben, wenn es um den Gender Pay Gap geht. Dass gleicher Lohn jedoch keine Verhandlungssache ist, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem Urteil vom 16. Februar 2023 nun bestätigt.
Eine Vertriebsmitarbeiterin aus Dresden hatte eine Klage eingereicht, weil sie mitbekam, dass ihr Kollege, der denselben Job ausübte, deutlich mehr verdiente. Die 44-Jährige bekam in der Einarbeitungszeit 3.500 Euro brutto. Ihr Kollege hingegen, der nur zwei Monate früher angefangen hatte, verdiente 1.000 Euro brutto mehr.
Auch nach Einführung eines Tarifvertrags lag der Gehaltsunterschied noch bei 500 Euro. Das ließ sich die Dresdnerin nicht gefallen und zog vor das Bundesarbeitsgericht, weil sie sich aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt fühlte. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts fiel zugunsten der Klägerin aus.
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Anrecht auf gleichen Lohn unabhängig vom Verhandlungsgeschick
Die Firma der 44-Jährigen begründete den Gehaltsunterschied damit, dass der männliche Mitarbeiter bei der Einstellung besser verhandelt und mehr Geld gefordert hatte. Außerdem habe er die Aussicht auf eine Leitungsposition gehabt. Die Firma berief sich daher auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit und bekam damit in den Vorinstanzen recht. Das Bundesarbeitsgericht sah in dem Gehaltsunterschied jedoch eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts der Klägerin.
Ihr wurden im Zuge dessen 14.500 Euro Gehaltsnachzahlung zugesprochen sowie eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 2.000 Euro. Ein großer Erfolg für die Frau, die sich mutig gegen ihren Arbeitgeber gewandt hatte und sich für die Lohngerechtigkeit einsetzte.
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Frauen verdienen nach wie vor deutlich weniger als Männer
Obwohl Frauen seit Jahrzehnten für mehr Geschlechtergerechtigkeit kämpfen, ist das Ziel noch lange nicht erreicht. In vielen Bereichen des Alltags ziehen Frauen nach wie vor den Kürzeren. Besonders in Bezug auf Lohngleichheit gibt es noch viel Nachholbedarf. Denn Frauen verdienen auch heute noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen.
Der Gender Pay Gap, also das geschlechtsspezifische Lohngefälle, lag laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2022 bei 18 %. Der bereinigte Gender Pay Gap lag bei 7 %. Dabei handelt es sich um den prozentualen Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen unter Berücksichtigung der Arbeit, Qualifikationen, Arbeitszeit und Erwerbsbiografie.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugunsten der Klägerin ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit. Auch die Anwältinnen der Dresdnerin sehen das Urteil als „Meilenstein“, wie die „Tagesschau“ berichtet. Bleibt zu hoffen, dass sich das Grundsatzurteil positiv auf zukünftige Entscheidungen in Bezug auf gleiche Löhne zwischen Frauen und Männern auswirkt.