Inhaltsverzeichnis
- Nein heißt Nein: Dieses Video erklärt Consent extrem simpel und klar
- In diesen Fällen herrscht keine Zustimmung zum Sex:
- Definition: Sexuelle Nötigung vs. Vergewaltigung
- Wie sieht die Gesetzeslage in Deutschland aus?
- Was bedeutet die gesetzliche Regelung konkret?
- Nur Ja bedeutet Ja: Schweden geht noch einen Schritt weiter
„Consent“ bedeutet übersetzt so viel wie „Zustimmung“. Mit Sexual Consent ist also gemeint, dass beim Sex beide Partner (oder wenn mehr als zwei beteiligt sind, alle beteiligten Personen) mit den sexuellen Handlungen einverstanden sind. Das klingt total logisch, mag man denken. Dennoch ist es fatalerweise nicht immer allen Menschen gleichsam klar, was ok ist und was nicht.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Stellt euch folgende Szene vor: Ihr liegt im Bett, neben euch jemand, mit dem ihr die letzte Nacht verbracht habt, ein One-Night-Stand. Ihr schlaft tief und fest und werdet davon wach, dass diese Person sexuelle Handlungen an euch vornimmt. Sei es, dass sie euch küsst, intim berührt und stimuliert.
Vielleicht mag jetzt der ein oder andere denken: Aber wenn man am Abend vorher miteinander Sex hatte, ist die Wahrscheinlichkeit ja groß, dass es immer noch in beiderseitigem Einverständnis stattfindet. Und wie ist es, wenn beide schon länger in einer Beziehung sind? Sollte sowas da nicht total ok und nett gemeint sein?
Hier stellt sich grundsätzlich die Frage: Ist es ok, dass mich jemand berührt, stimuliert und womöglich scharf macht, ohne dass ich wach und bei Bewusstsein bin? Möchte ich das oder ist das nicht ganz klar eins: übergriffig?
Im Video: Sexualisierte Gewalt an Frauen
Und diese Frage ist absolut berechtigt: Denn egal, ob One-Night-Stand oder Lebensabschnittspartner*in, Ehefrau oder -mann: Es ist mein Körper, über den allein ich entscheiden sollte.
Es mag unzählige Sexratgeberartikel geben, in denen es heißt: „Weck deinen Schatz doch mal nachts, indem du ihn im Schlaf verwöhnst und er dann langsam davon erwacht. Nie war aufwachen heißer…“ Und ja, auch wir haben hier sowas schon geschrieben und als nette Idee empfunden, wenn es um das Sexleben zweier Menschen geht. Aber ist das wirklich korrekt?
Ganz sicher nicht. Es sei denn, man hat vorher über das Thema „im Schlaf scharfmachen“ in seiner Partnerschaft oder mit seiner sexuellen Bekanntschaft gesprochen. Der Idealfall ist deshalb: Ob man so etwas als schön und korrekt empfindet oder nicht, sollte man miteinander besprechen. So weiß jeder von beiden, wo die Grenzen des anderen liegen und hält sich an die Wünsche bzw. Nicht-Wünsche.
Möchtest du auch mit mir schlafen? Ist es OK, wenn ich das mache? Soll ich aufhören oder weitermachen? Es sollte völlig normal sein, darüber zu sprechen. Nur so kommt einvernehmlicher Sex zustande.
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Gehen wir einen Schritt weiter:
Stell dir als zweite Szene vor: Du bist extrem betrunken und kaum mehr Herr deiner Sinne. Zurechnungsfähig in jedem Fall nicht. Auch hier ist die Frage: Ist in diesem Fall Sex einvernehmlich, wenn er geschieht?
Dritte Szene: Ihr habt beide Lust aufeinander, du überlegst es dir jedoch anders und möchtest doch keinen Sex. Was, wenn das Gegenüber dein Nein nicht ernst nimmt oder es nicht akzeptiert im Rausch der Erregung? Viele üble Pornos haben hier nicht wenig dazu beigetragen, dass das Bild entstanden ist: Die Frau sagt vielleicht Nein, aber sie will es doch auch. Also ignoriere ihr Nein. Ganz übel.
Nein heißt Nein: Dieses Video erklärt Consent extrem simpel und klar
Klar ist, egal bei welcher der drei Szenen wir jetzt sind: Nein heißt Nein! Ein Satz, den man nicht groß interpretieren kann, weil er klar sagt, was Sache ist. Und falls es hier immer noch Situationen geben sollte, die von verschiedenen Leuten nicht als so klar und eindeutig gesehen werden: Es gibt ein großartiges Video, das das Thema einvernehmlichen Sex unfassbar klar und einfach erklärt.
Das Video stammt ursprünglich von der britischen Polizei, genauer gesagt von der Thames Valley Police in Zusammenarbeit mit den Blue Seat Studios. Anhand eines einfachen Vergleichs wird hier erklärt, was einvernehmlicher Sex bedeutet. Im Video wird das Ganze am Beispiel einer Tasse Tee erklärt und alle möglichen Situationen werden durchgespielt, bei denen es Unklarheiten geben könnte, was Zustimmung bedeutet.
So seltsam der Vergleich zuerst scheinen mag, das Bild der Tasse Tee ist extrem hilfreich, um die Thematik deutlich zu machen. Beispiel: Vielleicht warst du bei klarem Bewusstsein, als man dich fragte, ob du eine Tasse Tee willst und du hast ‚Ja‘ gesagt. Aber in der Zeit, die es brauchte, Wasser zu kochen, Tee zu machen und Milch hinzuzufügen, möchtest du das nun vielleicht nicht mehr. Darf man dich dann zwingen, Tee zu trinken? Schließlich hast du ja vorher Ja gesagt und der andere hat extra Tee gemacht.
Dieses Video sollte sich jeder einmal angeschaut haben, weil es die Dinge auf den Punkt bringt. Spielen wir das Tee-Beispiel weiter durch:
- Wenn man jemanden fragt, ob er Tee trinken möchte und er sagt Ja, überlegt es sich aber anders. Warum sollte er dann Tee trinken, nur weil er vorher Ja gesagt hat?
- Wenn jemand Ja zu einer Tasse Tee gesagt hat, anfängt zu trinken und dann doch nicht mehr weiter trinken mag: Würde man jemals auf die Idee kommen, ihn zu zwingen, die Tasse Tee auszutrinken?
- Und würde man automatisch erwarten dürfen, dass jemand immer eine Tasse Tee haben möchte, nur weil er letzte Woche mal eine Tasse getrunken hat?
- Und was, wenn jemand zu betrunken ist, um eine Tasse Tee zu trinken oder gar in Ohnmacht fällt? Zwingt man ihn dann, die Tasse Tee zu trinken? Absurd. Ganz klar.
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In diesen Fällen herrscht keine Zustimmung zum Sex:
Übertragen wir unser Tee-Thema jetzt auf Sex, so bedeutet das:
- Wenn jemand dem Sex erst zugestimmt hat, es dann aber doch nicht möchte, dann ist das kein einvernehmlicher Sex.
- Wenn jemand früher einmal zugestimmt hat, bedeutet das nicht, dass auch weiterhin eine Zustimmung zu sexuellen Handlungen gegeben ist.
- Wenn jemand sich nicht äußert, sondern schweigt, ist auch das keine Zustimmung und berechtigt nicht dazu, mit sexuellen Handlungen loszulegen bzw. weiterzumachen.
- Wenn jemand zum Sex gedrängt wird oder Angst hat, Nein zu sagen, kann das auch nicht als Zustimmung gesehen werden. Das kann allein schon bedeuten, dass der eine nach Sex fragt, das Nein ignoriert und weiter nachfragt. Auch das ist Druck ausüben.
- Wenn beide Personen in einer Abhängigkeitssituation zueinander stehen und einer von beiden unter Druck gesetzt wird oder sich zu etwas verpflichtet fühlt, ist das ebenfalls kein einvernehmlicher Sex.
- Wenn jemand schläft, ist das keine Zustimmung für Sex.
- Wenn jemand ohnmächtig ist, ist das keine Zustimmung für Sex.
- Wenn jemand aufgrund von Alkohol oder anderen psychoaktiven Substanzen in seiner Entscheidungsfähigkeit stark beeinträchtigt ist, ist auch das keine Zustimmung.
Definition: Sexuelle Nötigung vs. Vergewaltigung
Nein bedeutet Nein. Diesen Grundsatz kennen sicher die meisten von uns. Aber wie sieht es mit der aktuellen Gesetzeslage dazu aus? Was genau versteht man unter sexueller Nötigung und was unter Vergewaltigung?
Sexuelle Nötigung ist strafrechtlich der Sammelbegriff für sexuelle Handlungen, gegen den Willen des Opfers. Vergewaltigung ist laut Artikel 36 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt „nicht einverständliches, sexuell bestimmtes, vaginales, anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person mit einem Körperteil oder Gegenstand.“
Wie sieht die Gesetzeslage in Deutschland aus?
Im Strafgesetzbuch (StGB) § 177 steht bezüglich „Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung“:
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn:
1. der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2. der Täter ausnutzt, dass die Person aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3. der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4. der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5. der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
Was bedeutet die gesetzliche Regelung konkret?
Unsere Gesetzgebung besagt klar: Sex ohne Einwilligung ist Vergewaltigung und es gibt dafür kein „aber“. Denn auch wenn jemand betrunken ist, freizügig gekleidet ist oder freiwillig mit jemandem mit nach Hause gegangen ist: Das bedeutet nicht, dass es Sex ohne Zustimmung beider Seiten rechtfertigt.
Wichtig: Während es früher so war, dass man sich wehren musste und seine Ablehnung klar deutlich machen musste, gilt jetzt die Devise: Sex ohne Einwilligung ist Vergewaltigung. Man muss sich nicht wild gewehrt haben und seine Ablehnung laut formulieren, nur damit anerkannt wird, dass man Sex nicht wollte.
Das Bild, das wir von einer Vergewaltigung haben, ist hier leider oftmals nicht das, was passiert. Wir denken oft an Gewalt, Drohungen und jemanden, der einen nachts überfällt. Und natürlich ist dieses Bild traurige Realität.
Aber die meisten Fälle von Vergewaltigung sehen anders aus: „Stattdessen werden Frauen und Mädchen häufig von einem Freund oder Partner vergewaltigt, und in vielen Fällen erleben sie dabei eine Schockstarre und sind wie gelähmt, weshalb die Tatperson oft gar keine weitere körperliche Gewalt anwenden muss“, wie Amnesty international schreibt. Gilt das dann also nicht als Vergewaltigung, weil das Opfer passiv vor Angst war?
Nur Ja bedeutet Ja: Schweden geht noch einen Schritt weiter
Wichtiges Kriterium in der Gesetzgebung ist die Formulierung: „gegen den erkennbaren Willen“. Schweden ist hier seit 2018 einen Schritt klarer, wie damals beispielsweise der Spiegel berichtete. Hier heißt es nicht „Nein bedeutet nein“, sondern: „Nur Ja bedeutet Ja“.
Das heißt: Wenn nicht beide ausdrücklich ihre Zustimmung geben, wird der Sex als Vergewaltigung eingestuft. Damit soll ausgeschlossen werden, dass bei jemandem, der passiv ist, vielleicht auf Angst oder Schock oder weil er unter Drogen steht, ein „stilles Einverständnis“ vorausgesetzt wird.
Ein extrem ernstes, aber leider wichtiges Thema. Nein heißt Nein. Das sollte in jeder Situation respektiert werden. Auch, wenn jemand vorher womöglich zu etwas Ja gesagt hat. Zum Tee oder was auch immer.