Inhaltsverzeichnis
- Emotionale Erpressung kann jede Beziehung betreffen
- So funktioniert die emotionale Erpressung
- Klassische Anzeichen emotionaler Erpressung
- Gründe für emotionale Erpressung
- Tipps: Wege aus der emotionalen Erpressung
- Erste Hilfsangebote für Betroffene
Jemanden emotional zu erpressen, bedeutet, ihn mit unseren Gefühlen zu beeinflussen, ihn mit dem, was wir sagen und tun zu manipulieren. Das können Tränen sein, die wir bewusst in einem Streit einsetzen, um unseren Willen durchzusetzen. Das wäre ein eher harmloser Fall. Es können aber auch Sätze sein, wie: „Wenn du mich verlässt, bringe ich mich um.“
Ausschlaggebend ist jedoch, dass dieses Verhalten beim Gegenüber Schuldgefühle weckt. Die emotionale Manipulation trifft sozusagen auf fruchtbaren Boden. Es ist die Kombination aus beiden Partnern, die letztlich die emotionale Erpressung so verheerend für die Beziehung macht.
Emotionale Erpressung kann jede Beziehung betreffen
Eine emotionale Erpressung kommt jedoch nicht nur in festen Partnerschaften vor, sondern kann jede Beziehung zwischen zwei Menschen betreffen. So zum Beispiel zwischen Eltern und Kind oder zwischen Geschwistern, aber auch zwischen Freunden und Kollegen und jedem anderen zwischenmenschlichen Verhältnis.
Besonders perfide ist diese Art der Manipulation natürlich, wenn zwei Menschen in einer festen Partnerschaft sind. Denn hier ist man viel emotionaler und verletzlicher. Deshalb ist eine Beziehung auf Dauer schwierig zu erhalten, wenn einer von beiden sich emotionaler Erpressung bedient, um seinen Partner enger an sich zu binden oder seinen Willen durchzusetzen.
Oft merkt man selbst nicht, dass man selbst jemanden manipuliert bzw. manipuliert wird. Emotionale Erpressung ist oftmals ein eher unbewusstes Verhalten, das sich in die Beziehung eingeschlichen hat, und das beiden Seiten gar nicht so klar ist. Deshalb kommen hier die wichtigsten Anzeichen, dass ihr in einer solchen Beziehung steckt, und Wege, wie ihr aus dieser scheinbar ausweglosen Situation wieder herauskommt. Und zwar ohne euch zwangsläufig zu trennen.
So funktioniert die emotionale Erpressung
Vorwürfe und Streitigkeiten kommen in den besten Beziehungen vor. Dennoch ist es bei der emotionalen Erpressung anders. Denn hier kommen zwei Dinge zusammen. Zum einen der, nennen wir ihn mal „Erpresser“, der seinem Partner unfaire Dinge vorwirft, ihm Schuldgefühle einredet oder ein Ultimatum stellt, um ihn nach seiner Pfeife tanzen zu lassen.
Bei einer gut funktionierenden Partnerschaft würde der derart Angeklagte sich einfach wehren und in einem offenen Gespräch darauf hinweisen, dass der andere unfair ist. Nicht jedoch bei der emotionalen Erpressung. Denn sie funktioniert deshalb, weil der Angeklagte die Schuld bei sich sucht. Bei ihm tritt die Bemerkung eine ganze Lawine an negativen Gefühlen und Schuldgefühlen los. Und er hat Angst, dass der Streit Folgen haben könnte, wenn er nicht nachgibt.
Und so findet die Auseinandersetzung nicht mehr auf Augenhöhe statt, sondern der Erpresser hat mit seiner Art zu streiten, die ja eigentlich unfair und drüber ist, dafür gesorgt, dass der andere klein beigibt. Und das, obwohl er das gar nicht möchte. Er tut sozusagen etwas gegen seinen Willen, nur damit er seinen Erpresser besänftigen und seine Erwartungshaltung erfüllen kann. Eventuelle Schuldgefühle werden hier aufgebaut und zudem ausgenutzt.
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Typische Sätze, um Schuldgefühle beim Partner hervorzurufen, sind zum Beispiel:
„Wenn du mich wirklich lieben würdest, würdest du anders handeln.“
„Ich gebe so viel und was machst du?!“
„Verstehst du das unter Liebe, wie du bist?“
„Ich weiß nicht, wie lange ich das noch mitmachen kann, so wie du dich verhältst…“
„Wenn du jetzt gehst, brauchst du nie wiederzukommen.“
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Klassische Anzeichen emotionaler Erpressung
Kommt dir das bekannt vor? Glaubst du, dass auch deine Partnerin oder dein Partner dich emotional erpresst? Oder könnte es sein, dass du selbst auch dazu tendierst, dein Gegenüber emotional zu manipulieren? Hier sind noch weitere Anzeichen für emotionale Erpressung, die dir vielleicht helfen, dein Verhalten oder das deines Partners besser einschätzen zu können:
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Das ist typisch für Personen, die andere emotional erpressen:
Ganz typisch für Menschen, die emotionale Erpressung anwenden, ist, dass sie sich unfair behandelt fühlen. Sie haben das Gefühl, ständig mehr in die Beziehung zu investieren und zu wenig zurückzubekommen. Schuld ist in jedem Fall ihr Gegenüber, nicht sie selbst. Denken sie.
Gleichzeitig haben die Betroffenen große Angst, verlassen zu werden. Letztlich sind sie aber dauerhaft unglücklich in der Situation und würden sich eine Partnerschaft auf Augenhöhe wünschen. Andere Partner, so die Denkweise, machen das in ihren Beziehungen besser, richtiger, fairer. „Warum kannst du nicht auch mal so sein wie XY?“ Oder: „XY würde sowas nie tun“, heißt es dann.
Und so wird versucht, den Partner an die eigene Wunschvorstellung anzupassen. Typisch ist deshalb auch, dass die Erpresser von ihrem Partner ständig Dinge einfordern, die sie scheinbar zu Unrecht nicht von ihm bekommen. Sei es Anteilnahme, Rücksicht oder Aufmerksamkeit.
Das ist typisch für die Opfer von emotionaler Erpressung:
Typisch für den Part des Erpressten ist es, dass er ständig das Gefühl hat, den Wünschen seines Partners nicht gerecht zu werden, er leidet unter Schuldgefühlen und einem schlechten Gewissen. Bei einem Streit traut er sich nicht, seine ehrliche Meinung zu sagen. Aus Angst, dass das negative Folgen haben kann für die Beziehung. Häufig sind diese Menschen auch konfliktscheu.
Diese ständige Rücksichtnahme im alltäglichen Leben führt natürlich auch dazu, dass man eine enorme Wut in sich anstaut. Denn natürlich fühlt sich der Erpresste in der aktuellen Situation in der Beziehung nicht wohl, weil er ständig diesen unterschwelligen Druck spürt, den der Erpresser auf ihn ausübt. Sei es durch Worte, aber auch durch das Verhalten, die Mimik und Gestik. Und er ist irgendwann total verunsichert, weil er gar nicht mehr weiß, wie er sich verhalten soll, um seinen Partner glücklich zu sehen.
Gründe für emotionale Erpressung
Man mag auf den ersten Blick denken, dass die erpressende Person in der Beziehung einfach nur unfair ist und seinen Kopf durchsetzen will. In Wirklichkeit steckt aber etwas ganz anderes hinter dem scheinbar dominanten Verhalten, nämlich Unsicherheit und Verlustangst.
Der Erpresser hat das Gefühl, nicht genug geliebt und beachtet zu werden. Er fühlt sich von seinem Gegenüber nicht geschätzt und fair behandelt. Er glaubt wirklich daran, dass sein Partner zu wenig Rücksicht auf seine Gefühle nimmt und ihn zu wenig unterstützt. Letztlich besteht hier eine Abhängigkeit vom Feedback des Partners.
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Tipps: Wege aus der emotionalen Erpressung
1. Raus aus dem Teufelskreis: Offen das Problem benennen und Gründe suchen
Der Erpresser muss erkennen, dass er sich nicht weiter in der alleinigen Opferrolle sehen darf. Denn leidtragend sind letztlich beide. Wichtig ist hier eine klare Analyse der Situation: Jeder muss für sich klar haben: In welchen Momenten eskaliert die Situation und warum? Ist es Stress auf der Arbeit, die sich auf dem Partner entlädt? Steckt eine tiefere Unzufriedenheit mit der Partnerschaft dahinter? In einem ruhigen Gespräch müssen beide ergründen, was genau das Anliegen des Erpressers ist. Wichtig: Der Erpresste sollte versuchen, das im Gespräch zu ermitteln, statt direkt nachzugeben.
2. Kommunikation verbessern, sachlich reden bzw. streiten
Hier müssen beide klar miteinander kommunizieren und sich auf reine Fakten berufen, statt sich allein von ihren Gefühlen leiten zu lassen. Sachlich zu bleiben, ist hier das A und O. Der Erpresser muss lernen, seine Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse klar zu formulieren und an seiner Kommunikation arbeiten.
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3. Grenzen setzen
Der Erpresste muss sich wehren und darf nicht länger klein beigeben, weil er unter Schuldgefühlen leidet. Er muss klare Grenzen für sich setzen, um sich selbst zu schützen, damit beide aus dem ewigen Kreislauf ausbrechen können. Er muss lernen, auch wieder nein sagen zu können.
4. Klare Regeln aufstellen
Beide sollten für den Umgang miteinander Regeln aufstellen. Die beziehen sich auf die Streitkultur, darauf, dem anderen nichts zu unterstellen und fair miteinander umzugehen. Was genau hier die wichtigsten Regeln sind, muss jedes Paar für sich entscheiden. Gemeinsam.
5. Sich gegenseitig mehr Feedback geben
Kommt es wieder zu einer klassischen Situation, sollten beide das auch ansprechen. „Achtung, hier verfallen wir gerade wieder in alte Muster.“ Einfach klar benennen, aber ohne verletzend zu sein. Oft nehmen beide Kontrahenten auch ein und dieselbe Situation komplett anders wahr. Hier kann man einen Abgleich der Wahrnehmung vornehmen, bei dem beide sachlich ihre Sicht auf die Sache schildern. Wie fühlen sich beide bei diesem Thema? Welche Folgen befürchten beide? Welche könnte es haben?
6. Zur Not auf Abstand gehen
Ja, auch das kann helfen. Wenn beide erst einmal (für einen bestimmten Zeitraum) keinen oder begrenzten Kontakt haben, kann Distanz beiden helfen, die Situation klarer zu sehen. Abstand hilft hier in der Regel sehr gut.
7. Bei sehr festgefahrenen Strukturen: Paartherapie erwägen
Wenn in einer Beziehung emotionale Erpressung an der Tagesordnung war oder ist, wird sich das Problem nicht von heute auf morgen in Rauch auflösen. Hier müssen beide Ausdauer beweisen und wirklich Beziehungsarbeit leisten. Wenn beide Partner nicht weiterkommen, hilft oft der neutrale Blick eines Außenstehenden. Im Idealfall holen sich beide professionelle Hilfe bei einem Paartherapeuten.
Erste Hilfsangebote für Betroffene
Wenn die Situation eskaliert, die Beziehung für einen von beiden toxisch oder ungesund ist und die Situation für Depressionen sorgt, sollte man sich nicht scheuen, sich Hilfe von außerhalb zu suchen. Ein erster Kontakt wäre zum Beispiel die Telefonseelsorge, die rund um die Uhr unter 0800 111 0111 oder 0800 111 0222 erreichbar ist.
Opfer psychischer Gewalt finden auch Hilfe und Unterstützung beim Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ erreichst du unter der Rufnummer 08000 116 016 an 365 Tagen im Jahr, zu jeder Uhrzeit, anonym und kostenlos. Dolmetscherinnen helfen bei sprachlichen Barrieren.
Wichtiges zum Schluss: Dieser Artikel dient lediglich der Information. Solltet ihr massive Probleme und Sorgen haben, scheut euch nicht, euch professionelle Hilfe zu holen. Auch wenn ihr selbst keine Antworten und Lösungswege findet, solltet ihr euch Rat und Hilfe einer außenstehenden Person einholen.