Im März 2020 haben wir es vielleicht noch belächelt, dass wir von nun an von zu Hause arbeiten und gleichzeitig unsere Kinder beschulen müssen. Es klang ja auch alles nur vorübergehend. Eine Sache von zwei, drei, höchstens vier Wochen, bis alles wieder „back to normal“ wäre.
Dass das Arbeiten – mit Erbringung von echter Leistung – und das Beschulen von Kindern gleichzeitig nicht funktionieren kann, das war eigentlich jedem (mit Kindern) klar. Machen mussten wir es trotzdem, über Wochen und sogar Monate.
Heute, fast zwei Jahre nach Einsetzen des ersten Corona-Lockdowns, sind die Kinder (Gott sei Dank) wieder in der Schule oder dem Kindergarten. Wir Eltern merken aber jetzt erst richtig das Ausmaß der zurückliegenden Monate.
Während man in den harten Phasen der Lockdowns einfach funktionierte – weil man keine andere Wahl hatte und Beruf und Schule gleichermaßen gerecht werden musste – sind heute alle Kraftreserven aufgezehrt. Heute bricht sich Bahnen, was über Monate verdrängt wurde. Die konsequente Überlastung von Eltern, im speziellen Müttern, endet nicht selten im so genannten Mütter-Burnout.
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Es kann sein, dass dieser Begriff Teil meiner Blase ist, weil ich mich viel damit auseinandergesetzt habe und noch immer setze, und vielleicht ist euch dieser Begriff bis dato noch gar nicht begegnet. Es geht aber auch gar nicht um die besondere Begrifflichkeit
Es geht darum, dass endlich deutlich wird, wie sehr sich Mütter (und bestimmt geht es auch Vätern so) verausgaben – auch schon vor und mit Sicherheit auch nach Corona. Jeden Tag funktionieren zu müssen, im Job und in der Familie, in einer Gesellschaft, in der beides nur schwer und unter großer Kraftaufwendung vereinbar ist, schlaucht. So sehr, dass immer mehr Mütter einfach ausgebrannt sind.
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Mütter-Burnout: Was soll das sein?
Ein Mütter-Burnout unterscheidet sich in seiner Ausprägung nicht von einem „normalen“ Burnout. Er betrifft aktuell aber eben vor allem Mütter. Wer, wie man den Begriff Burnout übersetzen kann, „ausgebrannt“ ist, fühlt sich genau so leer, kraftlos und ohne jegliche Energie.
Gleichzeitig steckt man aber in seinem Hamsterrad fest. Denn die Aufgaben, die von außen an einen gestellt werden werden nicht weniger. Die Ansprüche, die man selber an sich hat, aber auch nicht. Die Angst vor dem Scheitern, die Angst, einfach nicht genug zu sein, nicht genug zu schaffen, führt zu einer emotionalen und unweigerlich auch körperlichen Erschöpfung. Bis zu dem Punkt, an dem einfach nichts mehr geht.
Fun Fact: Früher galt der Burnout als „Manager-Krankheit“, weil die (Achtung, hier leicht ironischer Unterton) ja immer so viel zu tun hatten und organisieren und abliefern mussten. Kommt euch das bekannt vor?
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Warum sind vor allem Mütter betroffen?
Wir Mütter sind, wie es eine Werbung mal kokett ausgelegt hat, die „Managerinnen kleinerer Familienunternehmen“ – allerdings ohne Bezahlung. Deshalb hat sich die Frau in besagtem Werbespot schließlich auch auf eine bezahlte Stelle beworben. Die Qualifikationen brachte sie ja mit.
Aber genau das sind wir: Managerinnen. Denn wir managen Haushalt, Kinder und Job. Wir haben unendlich lange To-do-Listen im Kopf mit Terminen und Dingen, die noch eingekauft, verkauft oder organisiert werden müssen. Unsere Tage beginnen, noch bevor alle anderen aufgestanden sind und enden – wenn keine Arbeit liegen geblieben ist – wenn die Kinder am Abend ins Bett fallen.
Und wir alle wissen, dass immer Arbeit liegen bleibt. Berufstätige Mütter haben nicht einen, sondern mindestens zwei Jobs. Das ist – auch ohne Pandemie – für viele schon unerträglich viel. Stichwort „Mental Load“. Corona on top hat das Fass, dessen Inhalt bisher nur aufgrund der Oberflächenspannung hielt, also festen Abläufen und Plänen im Alltag, zum Überlaufen gebracht.
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„Stellt euch nicht so an, ihr wolltet schließlich Kinder!“
„Den eigentlichen Stress“, so das Ergebnis der TK-Stresstudie aus dem Jahr 2016, „löst die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus“. Jaja, ich höre sie schon, die Stimmen, die sagen, dass man sich eben entscheiden müsse, zwischen Kindern und Karriere. Das sind übrigens die gleichen, die meinen, man solle sich nicht so anstellen, weil man die Kinder ja wollte.
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Aber muss man das? Scheinbar schon. Allerdings nur, wenn man eine Frau ist. Denn, wenn die Gesellschaft eines von Müttern verlangt, dann ist es, dass sie sich um die Kinder kümmern. Und so kommt es, dass Frauen nicht nur arbeiten gehen, sondern einen Großteil der Sorgearbeit erledigen und auch sonst die Mehrheit der Familienangelegenheiten inklusive Haushalt managen.
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Wer allerdings immer nur für andere „arbeitet“, die Familie, den Haushalt und den Job, der verliert sich selbst aus den Augen. Die eigenen Bedürfnisse rücken bei einem so großen Pensum so weit in den Hintergrund, dass man nur noch die Aufgaben sieht. Genau das hat vor allem Corona verstärkt. Denn plötzlich fand alles zu Hause statt und es gab schlichtweg kein Entkommen vor den Aufgaben. Vor allem Mütter waren von morgens bis abends damit konfrontiert, zu funktionieren.
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Und jetzt funktionieren viele eben nicht mehr. Weil schlichtweg keine Energie mehr da ist. Es muss sich also etwas ändern, damit Mütter Job und Familie genauso gut vereinbaren können, wie es Vätern heute und eigentlich schon immer gelingt. Gesellschaftlich ist das keine Sache, die wir mit einem Fingerschnipsen verändern können. Leider. Aber wir Mütter können und müssen bei uns selbst anfangen.
Mütter-Burnout: Was tun, wenn einfach nichts mehr geht?
Stress ist nicht per se schlecht. Denn es gibt auch den guten Stress, der uns antreibt und zu Höchstleistungen befähigt. Zu viel Stress und vor allem andauender Stress kann jedoch krank machen.
Jeder von uns ist mal erledigt und erschöpft, von einem stressigen Tag und auch mal von einer stressigen Woche. Wer sich aber tagein tagaus erschöpft fühlt und trotzdem nicht schlafen kann, wer reizbar ist, stark emotional reagiert und sich chronisch gestresst fühlt, ist auf dem bestem Weg in einen Burnout. Deshalb ist es wichtig, Warnsignale wie die eben genannten zu erkennen und etwas dagegen zu tun.
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1. Die Überforderung eingestehen
Der wichtigste, zugleich aber auch schwierigste Punkt ist, zu erkennen, dass man nicht mehr kann. Während jemand, der mit einer Grippe und 40 Grad Fieber im Bett liegt, für jedermann ersichtlich krank ist, verhält es sich mit einer Erschöpfung oder einem Burnout ganz anders. Man ist nicht offensichtlich krank und doch ist man es. Dabei tut man sich schwer damit, sich genau das selbst einzugestehen. Doch wenn jeder Tag eine Qual ist, wenn man schon morgens nicht aus dem Bett kommt und jegliche Energie fehlt, sollte man handeln und herausfinden, was dazu geführt hat.
2. Gespräche suchen
Allein wird einem das nicht gelingen. Deshalb ist es wichtig, viel mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das kann der/die Partner*in sein, das können Freunde sein oder auch ein*e Psycholog*in. So führt man sich immer wieder selbst vor Augen, dass es einem nicht gut geht und das man gewisse Dinge ändern muss.
3. Grenzen setzen
Der Druck, funktionieren zu müssen, den wir von außen spüren, der aber auch aus uns selbst kommt, verleitet uns gerne dazu, immer mehr Aufgaben anzunehmen und einfach weiter zu machen, obwohl wir bereits ausgelastet sind oder gar unsere Belastungsgrenze erreicht haben. Hier muss man seine Grenzen erkennen lernen.
Lernen deshalb, weil man gerne dazu tendiert, sich mit anderen zu vergleichen. Doch es ist nicht wichtig, was andere schaffen und was nicht, sondern es zählt nur, was schaffe ich und was wird mir zu viel. Deshalb sollte man immer bei sich bleiben und lernen „Nein“ zu sagen. „Nein“ zum Chef, „Nein“ zum Abwasch und „Nein“ zum spontanen Besuch der (Schwieger-)Eltern. Jeder braucht Zeit für sich, auch oder gerade berufstätige Mütter.
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4. (Care) Arbeit abgeben und Zeit für sich
Es ist völlig legitim, Arbeit abzugeben – im Job, vor allem aber zu Hause. Sehr oft nämlich sind es immer noch die Mütter, die einen Großteil der Sorge- und Hausarbeit übernehmen. Hier helfen feste Pläne und Strukturen. Gebt den Kindern je nach Alter eine feste Aufgabe (z.B. regelmäßig den Müll rausbringen) und spannt eure*n Partner*in vermehrt ein.
Übertragt die Erstellung der Einkaufsliste, die Erledigung des Einkaufs und das Wegräumen aller Waren. Wechselt euch ab mit dem wöchentlichen Putzen oder erledigt es direkt gemeinsam. Schickt den/die Partner*in für ein zwei Stunden mit den Kindern nach draußen und kümmert euch um euch selbst.
Und vor allem: Haltet es aus, wenn ein anderes Familienmitglied seine Aufgabe nicht erledigt hat und widersteht dem Drang, es wutentbrannt dann doch selbst zu machen. Kein Leben wird gefährdet, nur weil die Wollmäuse das Haus erobern. Aber eure Gesundheit wird gefährdet, wenn ihr euch selbst verliert und so gar nicht mehr um euch kümmert.
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5. Mutter-Kind-Kur
Bis zu einem gewissen Punkt helfen bereits kleinere Maßnahmen, das Stresslevel zu senken und eine Erschöpfung in den Griff zu bekommen. Ein (Kinder-)freies Wochenende, ein paar Tage Urlaub oder regelmäßige Treffen mit Freund*innen können neue Energie bringen und Stress abbauen.
Wirken dererlei Maßnahmen aber nicht mehr, kann man einfach gar nicht mehr abschalten und steht nur noch unter Strom, muss ein härterer Bruch erfolgen. Eine Mutter-Kind-Kur kann hier beispielsweise effektiv helfen. Während der durchschnittlich dreiwöchigen Kur haben Mütter die Möglichkeit, mit Ärzten und Psychologen zu sprechen, können Kurse besuchen und eine intensive Zeit für sich verbringen. Die Kinder oder das Kind haben sie aber mit im Gepäck.
Tagsüber werden Kinder betreut, die Abende und Wochenenden verbringt man aber gemeinsam. Und vor allem verbringt man sie intensiv, denn man hat Zeit, sich ganz auf die Kinder einzulassen und wird nicht vom Alltag abgelenkt. Am Ende profitieren Mama bzw. Eltern und Kinder von einer Kur. Denn geht es Mama gut, geht es ihnen gut.
Schon gewusst? Alle vier Jahre haben Erziehende Anspruch auf eine Kur, wenn medizinische oder psychologische Voraussetzungen vorliegen. Im Bedarfsfall ist eine erneute Kur auch bei kürzerem Zeitabstand möglich.
Wichtiger Hinweis zum Schluss: Der Artikel bietet nur eine grobe Übersicht zum Thema Burnout und Hilfsmaßnahmen. Habt ihr das Gefühl nicht zu wissen, wie und wo ihr anfangen müsst, damit es euch wieder besser geht, macht einen Termin bei eurem Hausarzt oder eurer Hausärztin und sprecht eure Situation an. Er/Sie wird euch sagen können, was der nächste Schritt sein sollte. Zudem kann euch der/die Hausarzt/Hausärztin eine Kur verschreiben. Habt keine Scham, danach zu fragen und lasst euch helfen. Denn wenn es euch besser geht, wird auch die Familie davon profitieren.