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Alles auf Null: Was Corona mit unserer Psyche macht

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Seit Corona ist unser Leben einmal komplett auf den Kopf gestellt worden. Was bedeutet das langfristig für unsere Psyche? Wird die Pandemie auch hier ihre Spuren hinterlassen?

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In den letzten Monaten haben wir uns an viel gewöhnt. Gewöhnen müssen. Vieles, was wir vor einem Jahr noch für unmöglich gehalten hätten. Sei es, dass man ältere Angehörige im Heim oder im Krankenhaus plötzlich alleine lassen sollte. Dass wir auf Abstand zueinander gehen sollten. Nicht mal die eigenen Eltern sollten wir mehr umarmen. Es gab absurd anmutende Bilder von trauernden Menschen am Grab, jeder brav zwei Meter entfernt vom anderen.

Hätte man uns all das vor einem Jahr erzählt, hätten wir uns wie in der orwellschen Dystopie „1984“ gefühlt.

Plötzlich geht man durch die Straße und jeder Mensch, der einem entgegenkommt, wirft innerlich die Frage auf: Gefährdet diese Person mich – oder ich sie? Da ist so ein gegenseitiges Misstrauen und kritisches Beäugen, was man nie für möglich gehalten hätte.

Viele Menschen können von heute auf morgen ihren Job nicht mehr ausüben. Ganze Existenzen vor dem Aus und viele offene Fragen, wie es weitergehen soll. Am Anfang der Pandemie habe ich im Netz ein Video gesehen, wie Tänzer der Pariser Oper gemeinsam vor ihren Bildschirmen in ihren beengten Wohnungen tanzen. Das hatte was von Fliegen im Käfig. Und ist ein gutes Bild für die Absurdität dieser Zeiten gerade.

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Düstere Gedanken in einer nicht einfachen Zeit

Was kommt als Nächstes, fragt man sich, und vor allem: Wie lange müssen wir das noch durchhalten? Zu den Einschränkungen im Alltag kommt noch etwas viel Essentielleres: Die Angst und Sorge, dass man selbst oder die eigenen Angehörigen erkranken könnten. Die Angst, dass man vielleicht selbst das Virus weitergibt.

Beim letzten Lockdown waren wir alle noch paralysiert wie die Hasen in der Schlangengrube. Aber wie sieht es jetzt aus, wo sich das Jahr dem Ende neigt und wir quasi wieder von vorne anfangen? Wenn der französische Wissenschaftsrat verkündet, dass von nun an immer neue Wellen kommen werden? Das alles kann doch nicht spurlos an uns vorbeigehen.

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Menschen gehen unterschiedlich mit der Krise um

Manch einer sieht Krisen ja gerne als Chance. Das ist die Fraktion, die das Glas auch immer halb voll sieht. Sie empfinden die aktuelle Situation als erzwungenen Moment des Innehaltens, aber auch als die Möglichkeit, das Leben klarer zu sehen. Denn nicht nur die guten Dinge, sondern auch all der Mist, an den wir uns gewöhnt haben, der uns normal erschien, ist plötzlich infrage gestellt.

Gleichwohl gibt es natürlich auch die mit dem halb leeren Glas und denen schlägt die Coronakrise übelst auf die Psyche. Jeder wird in seinem Freundeskreis merken, dass sich die Welt plötzlich in zwei Lager teilt. Ohne dass man das vorher so eingeteilt hätte, gibt es das Lager derer, die voller Sorge in die Zukunft blicken und depressiv werden und das Lager derer, die recht unempfindlich und robust scheinen. Ich hätte in keinem Fall vorhersagen können, wer meiner Freunde zu welcher Partei gehören würde.

So kommt es leider auch, dass wir oft gar nicht sehen, was das Virus, die Pandemie, der Lockdown mit sensiblen Menschen anstellt. Gerade weil wir so eine harte Zeit bisher nicht kannten. Zumindest hatten wir nicht alle gleichzeitig das gleiche Problem. Das hat die Kriegsgeneration unserer Eltern und Großeltern erfahren müssen. Aber nicht wir.

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Was sagt die Wissenschaft über die psychischen Auswirkungen von Corona?

Was all diese ungewohnten Umstände und Ängste angeht, haben sich auch viele Wissenschaftler mittlerweile gefragt, was das mit unserer Psyche anstellt. Direkt zu Anfang, als die Schulen und Kitas geschlossen wurden, machte die Sorge vor zunehmender häuslicher Gewalt die Runde. Auch Depressionen und Angstattacken, so die Vermutung, würden dank Corona zunehmen.

Haben sich die Befürchtungen bewahrheitet? Und wie sind die Aussichten derzeit? Denn jetzt in der zweiten Coronawelle ist man deutlich skeptischer geworden. Und man ist müde. Denn das gemeinsame Durchhalten und loyal sein im Hoffen auf ein baldiges Ende hat nach mehr als acht Monaten seine Spuren hinterlassen. Dazu noch der beginnende Herbstblues – da möchte man sich am liebsten verkriechen. Bis mindestens Weihnachten. Oder bis zum Impfstoff. Oder bis das RKI vermeldet, dass alles wieder gut wird.

Frühere Studien zum Einfluss von Quarantänemaßnahmen auf die mentale Gesundheit haben gezeigt, dass sich die meisten Menschen vor allem Sorgen machen, dass sie oder ihre Lieben krank werden.

Aber auch die Tatsache, dass der gesamte Alltag durcheinander gewirbelt ist und soziale Kontakte auf ein Minimum beschränkt sind, tut uns nicht gut. Einsamkeit und Existenzängste machen sich da schnell breit. Je länger der Lockdown oder die Quarantäne, umso stärker wird diese Belastung empfunden. Dazu kommen finanzielle Probleme durch Kurzarbeit oder die Schließung des Unternehmens.

Und diese psychische Belastung bleibt eben nicht ohne Folgen. Wie ein Beitrag internationaler Forscher im Fachjournal Jama besagt, ist auch bei früheren Katastrophen – wie den Anschlägen in New York auf das World Trade Center oder verheerende Umweltkatastrophen – zu sehen gewesen, dass diese massive Auswirkungen auf die menschliche Psyche haben.

Die Folgen, so die Wissenschaftler: eine Zunahme an Depressionen, Angstzuständen, posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen psychischen Krankheiten in der Gesellschaft. Zunahme an Alkohol- und Drogenkonsum und Medikamentenmissbrauch. Dazu ein Anstieg von häuslicher Gewalt.

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Diese Gruppen sind psychisch besonders gefährdet

Das Projekt „Cosmo“ (ein Gemeinschaftsprojekt, u.a. von der Universität Erfurt, dem Robert Koch Institut, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dem Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation und dem Yale Institute for Global Health) beschäftigt sich ebenfalls mit der Resilienz, also dem Umgang von Menschen mit schweren Krisen.

Laut Cosmo wird der zweite Lockdown und die derzeitige persönliche Situation von 44,5 Prozent der Befragten als belastend empfunden. Was sich aber auch zeigt: Nicht jeder ist gleichermaßen gefährdet, psychisch angeschlagen aufgrund der Krise zu sein.

Bereits während des ersten Lockdowns zeigte sich, dass es vor allem die jüngere Generation ist, die schlecht mit der Corona-Krise umgehen kann. Menschen, die älter als 60 Jahre sind, zeigten sich deutlich resilienter. Und diese Tendenz zeigt sich auch jetzt noch. Das mag daran liegen, dass junge, aktive Menschen deutlich mehr in ihrer Freizeitgestaltung eingeschränkt sind als ältere.

Neben den jungen Menschen sind es vor allem Frauen, die mehr unter der Krise leiden. Zum einen, weil sie aufgrund von Teilzeitarbeitsverhältnissen weniger finanziell abgesichert sind. Aber auch, weil sie Kinder und Job plötzlich unter einen Hut bekommen müssen und weil sie häufiger in der Service-Industrie und der Carearbeit beschäftigt sind und somit öfter direkt mit der Krankheit Corona bzw. den Ansteckungsgefahren konfrontiert sind.

Die repräsentative Studie von AXA Anfang Oktober hat ebenfalls gezeigt, dass es bestimmte Gruppen gibt, die psychisch stärker gefährdet sind. Auch hier werden junge Menschen als besonders belastet genannt und Frauen, die tendenziell mehr durch die Doppelbelastung durch Kita- und Schulschließungen betroffen seien. Als weitere gefährdete Gruppen nennt die Studie Menschen mittleren Alters, die besonders auf ein sicheres Einkommen angewiesen sind und Menschen mit psychischen Vorerkrankungen.

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Betroffene stärken und Hilfsangebote nutzen

Und so sehen viele Forscher eine „dritte Welle“ von Corona, eben jene, die die Psyche betrifft. Wie mag es dem Pflegepersonal auf den Intensivstationen gehen? Wie gehen Pfleger in Altenheimen mit dem um, was sie erlebt haben? Und wie mag es denen gehen, die bereits vor der Pandemie psychische Probleme hatten?

Das sind alles berechtigte Fragen und genau deshalb ist es auch so wichtig, den Menschen Hilfsangebote an die Hand zu geben. Und ihnen eine Perspektive aufzuzeigen, wie es weitergehen kann. Wichtig ist es, die Belastungen der sozialen Isolation abzufedern und ihnen zu helfen, ihre Resilienz und ihre Widerstandskräfte zu stärken.

Natürlich ist eine persönliche Beratung und Psychotherapie derzeit nicht für jeden machbar – etwa aus Sorge vor einer Ansteckung. Gleichwohl gibt es vermehrt die Möglichkeit, Psychotherapie als Videobehandlung oder in Ausnahmefällen als Telefontermin wahrzunehmen.

Hilfestellungen im Netz:
Informationen und Hilfestellungen finden Betroffene beispielsweise hier, auf der Seite der Initiative der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und des Verbunds universitärer Ausbildungsgänge für Psychotherapie (unith).

Infos und Hilfe gibt es auch bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe

Telefonische Hilfen:

  • kostenfrei beim deutschlandweiten Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33
  • kostenfrei bei der Telefonseelsorge unter 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222

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